Psychologie: "Ein Familienbetrieb ist eine kooperative Lernaufgabe"

Psychologie "Ein Familienbetrieb ist eine kooperative Lernaufgabe"

Psychologin Bettina Hannover, Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin

Wie vereinbart man Berufliches und Privates? Diplom-Psychologin Bettina Hannover über das Geben und Nehmen und faires Aushandeln.

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27.04.15, 16:47

Psychologie

Wie vereinbart man Berufliches und Privates? Diplom-Psychologin Bettina Hannover über das Geben und Nehmen und faires Aushandeln.

Von
Franz Michael Rohm

Foto: Franz Michael Rohm

Psychologin Bettina Hannover, Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin

Psychologin Bettina Hannover, Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin

Welches sind die typischen Probleme in Familienbetrieben? Wie bringt man am besten Berufliches und Privates in Einklang? Und inwiefern spielt der kulturelle Hintergrund dabei eine Rolle? Darüber sprachen wir mit Bettina Hannover, Diplom-Psychologin und Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin. Sie ist überzeugt, dass nur klare Absprachen Konflikte verhindern. Der Familienbetrieb sei eine "kooperative Lernaufgabe".

Berliner Morgenpost: Was ist denn das Besondere an der Zusammenarbeit in der Familie?

Bettina Hannover: Die Familie ist eine Konstruktion, in der ein wechselseitiges Geben und Nehmen besteht, allerdings auf einer nicht-vertraglichen Basis. In einem offiziellen Arbeitsverhältnis ist das ganz anders. Da sind die meisten Dinge vertraglich geregelt, sowohl was die Bezahlung als auch die dafür zu erbringende Arbeitsleitung angeht. Wenn man diese beiden Arten von menschlichen Beziehungen vermischt, besteht die Gefahr vielfältiger Konflikte.

Was sind denn die häufigsten Konflikte und Probleme?

Menschen, die etwas aufgebaut haben, vielleicht ein eigenes Geschäft, einen eigenen kleinen Familienbetrieb, sind stolz darauf. Dazu gesellt sich schnell die oft unausgesprochene Vorstellung, die Kinder könnten froh und dankbar sein, im gemachten Nest zu sitzen. Die bräuchten jetzt nur noch in die Fußstapfen der Eltern treten, dann wären sie gemachte Leute. Dabei sehen die Kinder das manchmal ganz anders. Sie grenzen sich ab – und verweigern damit quasi den Eltern die Anerkennung für die erbrachte Lebensleistung.

Kann es überhaupt ohne Konflikte gehen, wenn man in der Familie zusammenarbeitet?

Kaum. Es wird immer Momente geben, in denen sich das Verhältnis Eltern-Kind mit dem von Arbeitgeber-Arbeitnehmer vermischt. Besonders in Ausnahmefällen wie zum Beispiel der Krankheit anderer Arbeitnehmer, wenn "Not am Mann oder der Frau" ist, wenn im Betrieb Stress ist. Dann erwarten Eltern, dass die Kinder "die Familie nicht im Stich lassen" und auch an ihrem freien Tag einspringen oder Überstunden machen. Früher war es viel normaler, dass Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern traten. Heute stellen wir fest, dass Kinder häufig ganz andere Pläne verfolgen, als ihre Eltern für sie haben. Deshalb haben viele Familienbetriebe heute ein großes Problem. Sie finden keinen Nachfolger innerhalb der Familie – und beginnen zu spät, außerhalb der Familie danach suchen.

Hat sich das Rollenbild in der modernen Familie geändert?

Allerdings. Eltern können ihre Kinder weniger als früher nach ihren Vorstellungen formen und beeinflussen. In der modernen deutschen Familie werden Verhalten und Werte heute viel eher ausgehandelt. Wir beobachten mittlerweile, dass Eltern und Kinder sich gegenseitig als Freunde betrachten, also als gleichberechtigte Partner. Auch hier liegt Konfliktpotential: In einem offiziellen Arbeitsverhältnis stehen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ja in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, und das ist eigentlich eine gute Struktur für einen reibungslosen Ablauf.

Gibt es bei der Familienbetriebs-Thematik auch kulturelle Unterschiede?

Ja. Menschen beispielsweise aus der Türkei oder Italien sind in einer stärker kollektivistisch ausgeprägten Kultur aufgewachsen. Diese Kulturen sind darüber definiert, dass Menschen ihre Identität darüber suchen, welchen Gruppen sie angehören. Dabei spielt die eigene Familie eine bedeutende Rolle, aber beispielsweise auch die Zugehörigkeit zu einem Betrieb. Im Gegensatz dazu gibt es die individualistische deutsche Kultur. Wir suchen unsere Identität viel eher darin zu fragen: "Wo bin ich einzigartig, worin unterscheide ich mich von meinen Geschwistern und Eltern?" Daraus können dann für einen Familienbetrieb mehr Probleme erwachsen, als wenn alle Familienmitglieder sich über ihre Zugehörigkeit zur Familie, zum eigenen Betrieb definieren.

Welche Tipps haben Sie für Familien in dieser Situation?

Letztlich geht es darum, die Interessen auszutarieren. Elementar dabei ist die Kommunikation, und da sind zuerst die Eltern gefordert. Wenn sie ihre Fragen und Vorstellungen klar aussprechen können, wissen die Kinder auch, woran sie sind. Das heißt, es wird planbarer. Und natürlich ist es auch hilfreich, wenn die Kinder beispielsweise früh genug signalisieren, dass sie eine andere Ausbildung machen, ihre eigenen Weg gehen möchten. Dann haben die Eltern die Möglichkeit, sich früh genug Gedanken zu machen, um was sie sich kümmern müssen, damit der Betrieb weiterläuft.

Reicht diskutieren allein?

Nein. Die Familien müssen das explizit aushandeln. Es kann nicht sein, dass Eltern sozusagen stillschweigend erwarten, dass Kinder bestimmte Dinge tun, ohne dass dies klar geregelt ist. Denn das führt schnell zu einem Gefühl der Enttäuschung bei den Eltern, einem Gefühl, nicht zu genügen bei den Kindern und insgesamt zu negativen Gefühlen im Zusammensein. Es geht also darum, dass man deutlich macht: Dieses ist jetzt eine Arbeitsbeziehung, die wir miteinander haben. Das wollen wir klar trennen von unserer Eltern-Kind-Beziehung. Und dass man dann im zweiten Schritt sich wechselseitig klar macht, welche Bedürfnisse und Ziele die Beteiligten haben.

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