Mitfühlende Nager Ratten befreien gefangene Artgenossen

Ratten befreien gefangene Artgenossen

Warte, ich helf dir: Ratten befreien andere Ratten, auch wenn woanders Schokolade lockt

Warte, ich helf dir: Ratten befreien andere Ratten, auch wenn woanders Schokolade lockt

Krankheitsüberträger, Kanalisationsbewohner: Ratten werden kaum positive Eigenschaften zugesprochen. Bis jetzt. Eine Studie offenbart nun eine heldenhafte Seite der Nager. Sie befreien ihre Artgenossen aus Käfigen - auch wenn für sie dabei kein Lohn abfällt.

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Plötzlich schiebt sich eine Wand vor den Zylinder - die Ratte ist gefangen. Sie bekommt Angst. Quietscht laut, dreht sich in dem engen Plastikkäfig, auf der Suche nach einem Ausweg. Im größeren Käfig mit ihr befindet sich eine zweite Ratte. Beim Kreischen ihrer Artgenossin wird auch sie etwas nervös, klettert um das Verlies herum. Sie versucht die Gefangene zu befreien. Stupst hier, stupst da. Unaufhörlich. Und schafft es. Was wie die Szene aus einem Trickfilm wirkt, ist das Ergebnis einer US-amerikanischen Laborstudie. Psychologen der University of Chicago zeigten erstmals: Auch Ratten können sich anscheinend in ihre Artgenossen einfühlen - und helfen ihnen aktiv in Notlagen. Selbst wenn woanders Schokolade lockt, wie die Psychologen im Fachjournal "Science" berichten.

Zahlreiche Experimente mit Affen belegten bereits, dass nicht nur Menschen Empathie zeigen, also die Fähigkeit sich in eine andere Person einfühlen zu können. "Aber die US-Studie ist der erste Hinweis dafür, dass auch Nager sich in andere Nager einfühlen können", sagt Co-Autor Jean Decety, Professor für Psychologie und Psychiatrie in Chicago. Eine Fähigkeit, die die Tiere motiviert haben könnte, ihren Artgenossen zu helfen.

Zwei Wochen lang lebten die Versuchsratten in einem Raum zusammen. Nach dieser Zeit wurden sie an mehreren Tagen immer wieder für etwa eine Stunde in eine größere Box gesetzt, in der sich eine enge, durchsichtige Röhre befand. Eine Ratte wurde für diese Zeit in den Zylinder eingesperrt, die andere lief in dem Kasten frei herum. Während der Nager in der Falle aufgeregt quiekte und sich in dem Gefäß herum wandte, versuchte die andere Ratte, den Artgenossen zu befreien. Mit viel Ausdauer: Fünf bis zehn Versuchstage benötigte die Außen-Ratte bis sie die richtige Stelle fand und genug Kraft einsetzte, um den Käfig aufzudrücken.

Vor allem die Weibchen schreiten zur Tat

Immerhin 23 von 30 Nagern öffneten schließlich das enge Verlies. Dabei zeichnete sich ein Muster ab, dass auch schon unter Primaten und Menschen entdeckt wurde: Während alle Weibchen tatkräftig halfen, befreiten nur 70 Prozent aller männlichen Probanden ihre Kumpane. Womöglich, so die Schlussfolgerung der Forscher, können sich weibliche Ratten besser einfühlen als die männlichen Nager.

Dennoch: Beide Geschlechter agierten selbstlos. Ihre Hilfsbereitschaft hielt sogar an, wenn neben dem Plastikgefängnis mit eingesperrter Ratte eine weitere Röhre mit Schokolade lockte. Auch hier wandten sich die Nager zuerst der Ratte in Not zu und teilten anschließend oftmals die Leckerlis aus der später geknackten Kapsel. Kontrollversuche zeigten zudem, dass die Tiere genau wussten, was sie tun und welch schmackhaftes Lebensmittel sie hinten anstellten. Hatten sie die Wahl zwischen Schokolade und einer leeren Kapsel, entschieden sie sich sofort für die Süßigkeit. Auch ließen sie sich wenig von einer Kapsel mit einem rattenförmigen Stofftier darin beeindrucken.

Etwas treibt die Nager von Innen an

Ob hinter dem heldenhaften Verhalten der langschwänzigen Vierbeiner wirklich Einfühlungsvermögen steckt, ist vorerst Interpretationssache: Schließlich ist unklar, ob die Ratten überhaupt das Elend der gefangenen Ratte beenden wollten oder vor allem ihren eigenen Stress in der kritischen Situation. Dennoch: "Diese Ratten lernen die Käfigtür zu öffnen, weil sie etwas Inneres antreibt", sagt Studienleiterin Bartal. "Wir haben es ihnen nicht beigebracht, haben nicht geholfen. Sie versuchten es einfach selbst, bis es klappt." Auch die Hoffnung auf irgendeine Art von Belohnung scheint sie nicht anzutreiben. Denn selbst wenn die Forscher ein fröhliches Miteinander nach der Befreiungsaktion unterbanden - was Ratten nachweislich als Lohn und Anerkennung empfinden -, entschieden sich die Tiere beim nächsten Versuch wieder für die Rettung des Artgenossen.

jha


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