«Ich wünsche mir einen Freund»

Ja, das kann es. Genau dasselbe kommt sogar mit Sicherheit nicht wieder. Das Leben wiederholt sich nie. Aber es ist möglich, dass Ihnen das, wonach Sie sich sehnen, in einem anderen Gewand auf ­Ihrem Lebensweg erneut begegnet. 
Allerdings nur dann, wenn Sie nicht zu starr an der alten Erfahrung festkleben und sich so verschliessen für den Reichtum, der Ihnen jetzt entgegenkommt. Ihre Sehnsucht kann Ihnen den Weg zeigen, wird sich aber vielleicht nie erfüllen. Bei einer intensiven Liebe können Sie trotzdem noch einmal ankommen.

Sehnsucht zu haben ist etwas grundsätzlich anderes, als ein Ziel zu haben. Hätten Sie das Ziel, einen Partner zu finden, wüssten Sie genau, was Sie wollen, und Sie würden geeignete Mittel einsetzen, um Ihr Ziel zu erreichen. Sie würden sich bei einer Partnervermittlung melden, ein Inserat aufsetzen oder die Freizeit in Umgebungen verbringen, in der Kontakte wahrscheinlich sind. Sehnsucht hat nichts von dieser Klarheit und Entschlossenheit, sie hat eine ­andere Färbung, eine bittersüsse. Es ist eine Mischung aus Freude und Traurigkeit. Der Wermutstropfen der Unerfülltheit oder gar Unerfüllbarkeit mischt sich ins ideale Bild, das einen anzieht.

In der Epoche der deutschen Romantik spielte die Sehnsucht eine zentrale Rolle. Sie liess Joseph von Eichendorff 1818 seine schönsten 
Gedichte schreiben. Das von der blauen Blume wurde zum Symbol für die Sehnsucht schlechthin:

Ich suche die blaue Blume
Ich suche und finde sie nie
Mir träumt, dass in der Blume
Mein gutes Glück mir blüh’.

Auch für andere Dichter, 
Maler und Musiker war die Sehnsucht ein Antrieb des künstlerischen Schaffens. Aber jeder Mensch kennt sie: Sehnsucht ist ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust bei gleichzeitigem Schwelgen in der Vorstellung vom grossen Glück. Das kann die Liebe, aber auch Arbeit, Familie, Freizeit oder die Gesundheit betreffen.

Erst im 21. Jahrhundert hat die Psychologie begonnen, das Gefühl der Sehnsucht exakt zu erforschen. Eine Gruppe um den Deutschen Paul Baltes und Alexandra Freund, Professorin an der Universität 
Zürich, hat 2007 mit umfangreichen 
Stu­dien Interessantes gefunden: Sehnsucht entwickelt nur, wer sein Leben mit etwas Abstand betrachtet und darüber nachdenkt. Wer dagegen immer im Hier und Jetzt handelt, kennt keine Sehnsucht.

Charakteristisch ist nämlich der so­genannte «Dreizeitigkeitsfokus». Sehnsucht ist immer auf die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft ausgerichtet: die Erinnerung an die Liebe in der Jugend, die Empfindung des Mangels in der 
Gegenwart und die Erwartung an die 
Zukunft, es könnte einem wieder etwas ebenso Erfüllendes begegnen. Zur Sehnsucht gehört auch das Gefühl, das Leben bliebe ohne ihre Erfüllung unvollkommen und die Empfindung sei bittersüss. Sehnsucht ist aber keine Sucht im klinischen Sinne wie etwa die Drogensucht.

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