Der Streit um den Euro wird immer unversöhnlicher – net

Von Jürgen Hesse

 

 

Berlin - Von Jürgen Hesse

Werbung buchen

FRANKFURT--Im Streit um den richtigen Weg aus der Staatsschuldenkrise Europas werden immer größere Geschütze aufgefahren. Angesichts der in Deutschland weiter wachsenden Vorbehalte gegen eine Schulden-Union in Europa empfahl der italienische Premierminister Mario Monti nun sogar, die Regierungen müssten sich von ihren Parlamenten "unabhängiger" machen. Er warnte andernfalls vor einem Auseinanderbrechen Europas.

"Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration", warnte Monti in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Schon jetzt trügen die Spannungen, die in den letzten Jahren die Euro-Zone begleiten, Züge einer psychologischen Auflösung Europas.

Passend zu diesem Stimmungsbild fordert der bayerische Finanzminister Markus Söder in der Bild am Sonntag schon einmal ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone noch in diesem Jahr. Er forderte, an Athen müsse "ein Exempel statuiert werden, dass diese Eurozone auch Zähne zeigen kann". Neue Hilfsmaßnahmen für das schuldengeplagte Land, das auf seiner Sanierung nur langsam vorankommt, lehnte der CSU-Politiker dagegen ab: "Weitere Hilfen für Griechenland ist, wie Wasser in der Wüste vergießen", zeigte sich Söder unversöhnlich.

Im deutschen Bundestag dürfte der Weg für weitere Hilfsgelder ohnehin versperrt sein. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass es für eine Politik der unbegrenzten gesamtschuldnerischen Haftung Deutschlands eine Mehrheit im Bundestag gibt. "Ich als Abgeordneter könnte dem jedenfalls nicht zustimmen", sagte der FDP-Politiker dem Nachrichtenmagazin Focus. Auch den derzeit diskutierten Vorschlag, den Rettungsfonds ESM mit einer Bankenlizenz auszustatten, lehnt Westerwelle ab. Hier müsse Deutschland unbegrenzt für unbekannte Risiken haften. "Das wäre auch mit unserer Verfassung nicht vereinbar."

Unterdessen werden einem Bericht der Welt zufolge bereits weitere Fakten geschaffen. Demnach soll die Europäische Zentralbank (EZB) einen Bankrott Griechenlands vorerst abgewendet haben, indem sie eine Zwischenfinanzierung Athens mithilfe von zusätzlichen Notkrediten der griechischen Notenbank sicherstellt. Die Zeitung berichtet unter Berufung auf Zentralbankkreise, dadurch werde es der griechischen Regierung möglich, sich bis zu 4 Milliarden Euro zusätzlich zu besorgen. Mit dem Geld könne sich das Land über Wasser halten, bis im September die Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) über die Auszahlung der nächsten Tranche aus dem laufenden Hilfsprogramm entscheidet.

Weitere Stimmen warnen unterdessen vor einer größeren Haftung Deutschland für die Schulden anderer Länder in Europa. Der ehemalige EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing malte in der FAZ angesichts der aktuellen Entwicklung die Gefahren der Inflation an die Wand. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, verteidigte im Deutschlandfunk die Haltung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann gegen weitere Ankäufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB). "Es muss auch immer noch einen Vernünftigen geben, der dafür sorgt, dass die Dinge nicht ganz aus dem Ruder laufen", sagte Kauder. EZB-Präsident Mario Draghi hatte mit der Ankündigung "alles zu tun, was nötig ist", um den Euro zu stärken, große Hoffnungen auf umfangreiche Ankäufe von Staatsanleihen durch die EZB geschürt. Nach der Sitzung der Notenbänker am Donnerstag waren dann die tatsächlichen Maßnahmen hinter den Erwartungen der Börsen zurückgeblieben, und Draghi hatte dafür Weidmann an den Pranger gestellt.

Unterdessen finden sich aber auch Aufrufe zu einer stärkere Integration Europas. Der Philosoph Jürgen Habermas und weitere Autoren fordern in der FAZ mehr Macht für Brüssel zulasten der einzelnen EU-Staaten und die Einberufung eines Verfassungskonvents in Deutschland. Nur mit einer Vertiefung der europäischen Integration lasse sich die derzeitige Krise überwinden. Der Verzicht auf die europäische Einigung wäre dagegen der "Abschied von der Weltgeschichte".

Auch der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, warnte vor den Gefahren bei einem Auseinanderbrechen der Währungsunion. "Jeder Rückschritt in der europäischen Integration würde unkalkulierbare Risiken für die wirtschaftliche und politische Stabilität bedeuten", sagt Keitel der Süddeutschen Zeitung. Der BDI-Chef wandte sich gegen Schuldzuweisungen der Euro-Staaten untereinander und mangelndes Verständnis für die Nöte des jeweils anderen. "Wichtig wäre es, Fortschritte in den bedrängten europäischen Ländern konsequent einzufordern, durchaus vorhandene Ergebnisse aber auch zur Kenntnis zu nehmen", sagt er. Dabei sei "die Kakophonie der täglichen Ratschläge nicht hilfreich".

Kontakt zum Autor: unternehmen.de@dowjones.com  (© Dow Jones)

Kommentar zum Thema "Der Streit um den Euro wird immer unversöhnlicher"

 
Max. 25 Zeichen

 

 

  

Sicherheitscode

Nur Kleinbuchstaben und Zahlen

  

Sicherheitscode

Nur Kleinbuchstaben und Zahlen

   

 

Leave a Reply