Zwischen Menschen, Organisation und Markt

Die Wirtschaftspsychologie ist innerhalb der Sozialwissenschaften zunehmend von Interesse, vor allem in der Ökonomie und in der Praxis“, sagt Erich Kirchler, stellvertretender Vorstand des Instituts für Wirtschaftspsychologie, Bildungspsychologie und Evaluation an der Universität Wien. „Unter den Begriff Wirtschaftspsychologie fallen die Bereiche Organisations- und Markt-, Führungs-, Finanz- sowie Arbeitspsychologie. Arbeits- und Organisationspsychologie sind seit Langem in den Curricula der Psychologie verankert“, so Kirchler. Die Absolventen dieser Richtung seien vor allem im HR-Bereich bei Personalauswahl und Training gefragt, aber auch im Coaching, in der Beratung und im Organizational Change Management. Marktpsychologen seien im Bereich der Werbung, Marktforschung und Konsumenteninformation tätig.

 

Fördern und fordern

„Wirtschaftspsychologen agieren heute in erster Linie an der Schnittstelle zwischen Mensch, Organisation und Markt“, ergänzt Herbert Schwarzenberger, Studiengangsleiter für den Masterstudiengang Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie an der Ferdinand-Porsche-Fern-FH. Gerade im Bereich Personal gehe es darum, die richtigen Kandidaten zu finden, zu fördern und zu fordern. Aber auch im Marketing sind Wirtschaftspsychologen gefragt: Hier geht es in erster Linie darum, die Präferenzen und das Verhalten von Konsumenten zu untersuchen, um die Bedürfnisse von immer differenzierteren Kundengruppen abzudecken und diese auf immer mehr unterschiedlichen Kommunikationskanälen anzusprechen.“

 

Als Psychologe spezialisiert

Wirtschaftliche Schwerpunkte in der Psychologie-Ausbildung zu setzen, dürfte also durchaus zukunftsträchtige Karrieren fördern. Möglich ist diese Spezialisierung unter anderem auf der Tiroler UMIT im Rahmen des Bachelor- und Masterstudiums. Auch auf der Sigmund-Freud-Privatuniversität kann man sich nach der psychologischen Grundausbildung im Masterstudium auf Wirtschaftspsychologie spezialisieren.

Eine postgraduale Ausbildung zum Bachelor und Master bietet die Privatuniversität Schloss Seeburg. Ziel des Bachelorstudiengangs „Betriebswirtschaftslehre mit Branchenfokus Wirtschaftspsychologie“ ist, die erforderlichen Fachkenntnisse und Fähigkeiten zu erlangen, um die psychologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge in der betrieblichen Praxis zu überblicken und zu verstehen. „Der Wirtschaftspsychologie kommen mehrere Aufgaben zu. Einerseits helfen wirtschaftspsychologische Ansätze, Entwicklungen zu verstehen, die sich mit einer rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht erklären lassen. Andererseits stellt die Wirtschaftspsychologie ein breites Instrumentarium theoretisch fundierter Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, die Menschen und Organisationen in diesen Situationen helfen können“, sagt Jürgen Kaschube, Dekan für Wirtschaftspsychologie an der Privatuniversität Schloss Seeburg. Beim Masterstudiengang kann man sich dann ganz auf Wirtschaftspsychologie konzentrieren. „Da die Absolventen in der Mehrzahl nicht mit anderen Psychologen zusammenarbeiten, sondern mit Betriebswirten, Ingenieuren und Technikern oder Naturwissenschaftlern, müssen sie erstens interdisziplinär und analytisch klar denken können und ihre fachliche Position auch Nicht-Fachleuten gut verständlich machen“, so Kaschube. Die Methodik bei diesen beiden Ausbildungen: eine Mischung aus E-Learning und Präsenzphasen. Dreimal pro Semester studiert man für eine Woche in der Seeburg, legt Prüfungen ab und tauscht sich mit Kommilitonen, Professoren und Studiencoaches aus. Dazwischen hält man über das Internet und eine Lernplattform Kontakt und nimmt beispielsweise an virtuellen Seminaren teil. Gemischte Lernformen sind gerade für angehende Wirtschaftspsychologen fast ein Muss, wollen sie dieses Thema akademisch beackern. Beispiel Donau-Universität Krems und ihr Universitätslehrgang „Wirtschafts- und Organisationspsychologie“: Die fünfsemestrige, berufsbegleitende Ausbildung schließt mit dem „Master of Arts“ ab und wird ebenfalls als Fernstudium mit Präsenztagen angeboten.

 

Blick nach Deutschland

Ausbildungen zum Wirtschaftspsychologen auf Fernstudienbasis gibt es auch im benachbarten Deutschland. Aber während in der heimischen Wirtschaft die Bedeutung der Wirtschaftspsychologie wächst, sind deutsche Unternehmen noch unentschieden: „Die strategische Relevanz der Personalauswahl und -entwicklung hinkt in den Unternehmen ihrer potenziellen Bedeutung hinterher. Dies ist – unabhängig vom Reputationsproblem der Personalarbeit – ein selbst verschuldetes Problem: Die hartnäckige Weigerung der Berufsverbände, das Studium mit entsprechenden Teilen an betriebswirtschaftlicher Ausbildung zu versehen, ist hier eine wichtige Ursache“, erklärt Rüdiger Reinhardt, Leiter der wirtschaftspsychologischen Masterstudiengänge an der Fernhochschule Riedlingen in Baden-Württemberg.

Hier können die Studierenden zwischen zwei Spezialisierungen wählen: „Arbeits- und Organisationspsychologie“ sowie „Markt- und Werbepsychologie“. Das sechssemestrige Bachelor-Fernstudium ist modular aufgebaut. Pro Semester finden an vier Wochenenden Präsenzveranstaltungen in einem der zwölf Studienzentren statt. Der österreichischen Grenze am nächsten liegen München, Riedlingen und Lörrach-Zell. Wirtschaftspsychologie studieren kann man darüber hinaus an der Euro-FH in Hamburg. Der Masterstudiengang ist ein Aufbaustudium für Personen mit (wirtschaftswissenschaftlichem) Studienabschluss beziehungsweise mehrjähriger Führungs- oder Fachverantwortung. Er kann je nach verfügbarer Zeit in 18 oder 24 Monaten absolviert werden.

Lehrgänge in Wirtschaftspsychologie werden angeboten:

Sigmund-Freud-Privatuniversität
www.sfu.ac.at

Fernhochschule Riedlingen

www.fh-riedlingen.de

Donau-Universität Krems www.donau-uni.ac.at

UMIT – Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik www.umit.at

Europäische Fernhochschule Hamburg: www.euro-fh.de

Ferdinand-Porsche-Fern-FH
www.fernfh.at

Privatuniversität Schloss Seeburg www.uni-seeburg.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2012)

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