„Wir stehen zur Halbzeit gut da“

Chris Kühn muss seinen Posten als Grünen-Landeschef aufgeben – er sitzt künftig als Abgeordneter im Bundestag. Um seine Nachfolge bewirbt sich der 25-jährige Psychologie-Student Oliver Hildenbrand. Aber wer ist das eigentlich? Für die Wahl am Samstag auf dem Parteitag in Esslingen hat er bislang keinen Gegenkandidaten. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa erklärt er, warum er sich dem linken Flügel zurechnet und wo er anderer Meinung als Regierungschef Winfried Kretschmann ist.

Frage: Herr Hildenbrand, nach einer neuen Umfrage hat Grün-Rot in Baden-Württemberg keine Mehrheit mehr. Endet 2016 die Regierungszeit von Winfried Kretschmann?

Antwort: Quatsch, das kann man aus einer Umfrage über zwei Jahre vor der Wahl ganz sicher nicht herauslesen. Im Gegenteil: Sie zeigt, dass wir Grüne zur Halbzeit gut dastehen – auch nach dem enttäuschenden Ergebnis bei der Bundestagswahl. Eine Mehrheit ist zufrieden mit Winfried Kretschmann und der Arbeit der grün-roten Landesregierung. Wir nehmen diese Momentaufnahme als Ermutigung, um die Herausforderungen in den nächsten Jahren weiter anzupacken.

Warum wollen Sie Landesvorsitzender der Grünen werden?

Ich will einen Beitrag dazu leisten, dass die grün-rote Regierungszeit in Baden-Württemberg keine Ausnahme bleibt, sondern dass wir Baden-Württemberg langfristig und nachhaltig gestalten können. Ich bin seit neun Jahren bei den Grünen aktiv und habe richtig Lust auf die Arbeit als Landesvorsitzender.

Wenn Sie gewählt werden: Was wäre dann Ihre größte Herausforderung als Landeschef?

Als Regierungspartei sehen sich die Grünen mit hohen Anforderungen und Erwartungen konfrontiert. Es ist eine große Aufgabe, diese Erwartungen auch zu erfüllen. Ein wichtiger Meilenstein sind die Kommunal- und Europawahlen im nächsten Jahr. Es geht für uns darum, nach dem enttäuschenden Abschneiden bei der Bundestagswahl wieder Boden gut zu machen. Die kommunale Verankerung von uns Grünen ist auch ein wichtiger Grundstein dafür, dass wir den Erfolg bei der Landtagswahl 2016 wiederholen können.

Woran erkennt man, dass Sie dem linken Flügel bei den Grünen zugehören?

Die Grünen sind eine Partei der Ökologie und der Energiewende. Das ist unser Markenkern. Für mich sind die Grünen auch eine Partei der sozialen Gerechtigkeit und der Bürgerrechte. Diese Punkte spielen gerade auch im linken Flügel eine wichtige Rolle – aber nicht nur dort. Als Landesvorsitzender werde ich natürlich nicht der Vorsitzende eines Parteiflügels sein, sondern ein Vorsitzender für die ganze Partei.

Teilen Sie die Kritik von Ministerpräsident Kretschmann, dass man im Bundestagswahlkampf zu sehr auf linke Themen gesetzt hat?

Das Programm war ein gutes Programm. Ich halte es für sinnvoll, dass sich auch Winfried Kretschmann in seiner Funktion als Ministerpräsident in die Debatte über den Ausgang der Bundestagswahl einbringt. Winfried Kretschmann ist ein Politiker mit Ecken und Kanten, der sagt, was er denkt. Das schätze ich an ihm. Es gibt aber bei der Wahlanalyse auch Punkte, die ich anders sehe als er.

Was ist denn dann für Sie der Hauptgrund dafür, dass es bei der Bundestagswahl für die Grünen nicht gut lief?

Wir haben gerade in der Altersgruppe der jüngeren Wähler überdurchschnittlich stark verloren. Wir sind im Wahlkampf ziemlich überheblich rübergekommen – nicht als coole und moderne Partei, die wir eigentlich sind.

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