Wieso der Aargauer Staatschreiber in Zürich wohnen darf

Mit dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht werden im Aargau ab Januar 2013 Familiengerichte eingeführt. Dazu braucht es Fachrichter im Bereich Soziale Arbeit und Psychologie, welche in Voll- oder Teilpensen arbeiten. Diese werden derzeit in Stelleninseraten gesucht und müssen bei Stellenantritt im Aargau wohnen.

Ganz anders der Leiter der Staatsanwaltschaft für die Bezirke Lenzburg-Aarau, dessen Stelle ebenfalls ausgeschrieben ist. Für ihn gilt keine Wohnsitzpflicht. Der Grund: Während die Fachrichter zur Judikative, zu einer der drei Staatsgewalten neben Legislative und Exekutive gehören, sind die Staatsanwälte Mitarbeiter der kantonalen Verwaltung. Für diese gilt seit der Revision des Personalgesetzes im Jahr 2000 in der Regel keine Pflicht mehr, im Aargau zu wohnen.

Alle leitenden Staatsanwälte wohnen im Aargau

Mit ein Grund für die Revision war, das Feld auch für ausserkantonale Kandidaten zu öffnen. «Geeignete Leute aus dem eigenen Kanton sind für gewisse Verwaltungsstellen in ausreichender Zahl oft gar nicht zu finden», sagt Oliver Werthmüller, Leiter Rechtsdienst der Abteilung Register und Personenstand. Bei gleicher Qualifikation werde in der Regel aber ein Bewerber aus dem Kanton gewählt.

Aktuell wohnen zum Beispiel alle leitenden Staatsanwälte im Aargau. Der Grund für den zunehmenden Verzicht auf die Wohnsitzpflicht besteht in der von der Bundesverfassung garantierten Niederlassungsfreiheit für Schweizer Bürger, die nur in wichtigen Gründen eingeschränkt werden darf. Nur Mitglieder des Parlaments, Regierungsräte und Richter haben die Pflicht, im Aargau zu wohnen.

Ausnahmen der Wohnsitzpflicht

Mit dem neuen Gerichtsorganisationsgesetz wird die Wohnsitzpflicht für Bezirksrichter und die neuen Fachrichter etwas aufgeweicht. Sie müssen nicht mehr im eigenen Bezirk wohnen, sondern nur noch im Aargau. «Diese Änderung im neuen Gesetz ist auf breite Zustimmung gestossen», sagt FDP-Mann Herbert Scholl, der die grossrätliche Justizkommission präsidiert. In der Vergangenheit hat die Pflicht, im Bezirk zu wohnen, mehrmals ein frühes Aus für qualifizierte Personen bedeutet.

Neu sind Ausnahmen bei nebenamtlichen Fachrichtern des Kindes- und Erwachsenenschutzes sowie bei nebenamtlichen Fachrichtern kantonaler Gerichte möglich. Grund: Für diese sind vorab Fachkenntnisse und meist «keine Kenntnisse des geografischen und sozialen Umfelds nötig», heisst es in der Botschaft an den Grossen Rat. Eine Ausnahme von der Wohnsitzpflicht soll es auch für die Richter des Justizgerichts geben. Dieses wird neu geschaffen, um Disziplinarverfahren gegenüber Oberrichtern oder Bezirksrichtern zu behandeln. «Diese Personen sollen möglichst unabhängig und nicht bereits beruflich als Anwalt mit Aargauer Gerichten verbandelt sein», begründet Werth-müller.

Staatsschreiber wohnt in Zürich

In der Vergangenheit war auch immer wieder der Wohnsitz des Staatsschreibers Peter Grünenfelder ein Thema, der in Zürich zu Hause ist. Dass es eine Ausnahmebewilligung brauchte, damit Grünenfelder vom Regierungsrat gewählt werden konnte, verneint sein Stellvertreter Urs Meier. Weil er nicht der Regierung angehört, besteht für den Staatsschreiber keine Wohnsitzpflicht im Aargau – wie für alle anderen Staatsangestellten auch.

Ebenfalls keine Wohnsitzpflicht gibt es bei den staatsnahen Betrieben wie der AEW Energie AG oder der Aargauischen Kantonalbank. Auch die Kantonspolizei Aargau kennt diese Auflage nicht mehr. Ein Überbleibsel gibt es noch für Polizisten, die Pikettdienst leisten: Sie müssen innert einer halben Stunde an ihrem Arbeitsplatz sein.

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