Wie verändern sich Erinnerungen im Gespräch? » Report Psychologie

Gemeinsames Erinnern im Gespräch kann Erinnerungen stärken oder auslöschen – je nachdem, wie lange die Erfahrung zurückliegt. Dies erklären Forscher der Universität Regensburg in einer aktuellen Studie.


Das kennen wir wohl alle: Gemeinsam mit Freunden haben wir etwas Schönes oder sehr Lustiges erlebt – und natürlich kommt das Ereignis beim nächsten Wiedersehen erneut zur Sprache. Man erinnert sich, wertet aus, kommentiert das Erlebte. Interessanterweise haben Forschungen ergeben, dass anfängliches Zuhören in solchen Situationen die eigene Erinnerungsleistung abschwächen kann. Vor diesem Hintergrund nahmen Psychologen der Universität Regensburg derartige Gesprächssituationen nun etwas genauer unter die Lupe.

Laborexperiment mit Wortlisten

Sie entwarfen drei Verhaltensexperimente und führten diese mit jeweils 128 Studierenden als Probanden im Labor durch: Diese erinnerten sich, jeweils in Paaren arbeitend, allerdings nicht an gemeinsame Erlebnisse, sondern an zuvor gelernte Wortlisten.

Vergessen durch Auswahl im sozialen Austausch

Tatsächlich bestätigte sich in den Versuchen, dass ein Gespräch zum Vergessen von mit dem Gehörten verbundenen Erinnerungsstücken führen kann: Waren die Probanden zunächst lediglich als Zuhörer eingeteilt, zeigten sie anschließend eine schlechtere Erinnerungsleistung.
Die Forscher nehmen an, dass der erste Redner, der den Erinnerungsprozess in Gang bringt, nur selektiv einzelne Aspekte wählt – und andere unerwähnt lässt. Dieser selektive Zugriff durch den Sprecher führt beim Zuhörer zu einer Unterdrückung weiterer Erinnerungen.

Zeitlicher Abstand entscheidend

Der beschriebene Effekt trat jedoch nur dann ein, wenn das Zeitintervall zwischen der Lernphase und dem Gespräch kurz war. Im Falle eines längeren Zeitintervalls war sogar das Gegenteil der Fall: Zunächst die Rolle des Zuhörers einzunehmen führte in diesen Fällen gewissermaßen zu einer „Auffrischung“ der noch fragmentarisch vorhandenen Erinnerungen.
Die Ergebnisse der Regensburger Wissenschaftler sind nicht nur von Interesse für Freunde, die sich ihrer vergangenen Erlebnisse erinnern: Sie könnten auch weitreichende Konsequenzen zum Beispiel für die Erfassung und Bewertung von Zeugenaussagen haben.

Literatur

Abel, M. Bäuml, K.-H.T. (2015). Selective memory retrieval in social groups: When silence is golden and when it is not [Abstract]. Cognition, 140, 40-48.

28. Juli 2015
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
Foto © Susanne Koch

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