Aussehen, Mimik, Lebensumstände: Zeit macht Ähnlichkeit

Eine Kopie? Ganz so drastisch ist es natürlich nicht. Trotzdem sollten wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass wir unseren Eltern tatsächlich oft immer ähnlicher werden. Der Volksmund weiß das schon lange, Sprichwörter wie „Schau dir erst die Mutter an“, „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“, oder „Wie der Vater so der Sohn“ haben einen wahren Kern. „Die Gemeinsamkeiten beginnen mit dem Aussehen“, erklärt Simonszent. Unsere Gene sorgen dafür, dass wir äußerliche Merkmale wie die Farbe der Augen, die Form der Nase oder die Struktur unserer Haare erben. Auch in Gesten und Mimik finden sich oft frappierende Ähnlichkeiten – und zwar umso stärker, je mehr die kindlichen und jugendlichen Züge aus unserem Gesicht weichen. „Wenn wir älter werden, fallen Ähnlichkeiten oft schlicht mehr auf“, sagt der Psychologe.

Hinzu kommt, dass sich auch die Lebensumstände über die Jahre oft angleichen: Wer sich selbst um Familie, Beruf, Haus und Konto kümmern muss, wird automatisch mehr Parallelen zum Leben der Eltern feststellen, als es bei Menschen der Fall ist, die noch in der Schule oder im Hörsaal sitzen. Sprich: Deren Lebenswelt eine andere ist.

Schuld an zunehmender Ähnlichkeit: Die frühkindliche Prägung

Ähnliche Verhaltensweisen und Charakterzüge sind ohnehin bedeutsamer als optische Gemeinsamkeiten. „Hier spielt die Prägung eine wichtige Rolle“, sagt Simonszent und meint damit das Zusammenspiel aus Erziehung, Werten, Rollenbildern, Einstellungen und Verhaltensmustern. All das prägt uns, während wir aufwachsen, unbewusst. Schließlich verbringen wir mit unseren Eltern normalerweise mehr und intensiver Zeit als mit allen anderen Menschen – zumindest in den frühen Lebensjahren, die für die Entwicklung unserer Persönlichkeit und unseres Charakters entscheidend sind.

Ein Beispiel: Die Mutter neigt dazu, bei Konflikten mit dem Vater beleidigt oder schnippisch zu reagieren. Oder: Der Vater wird, wenn ihn etwas ärgert, wortkarg und stoffelig. Es bestehen gute Chancen, dass man später ein ähnliches Verhalten an den Tag legt – sogar dann, wenn einen diese Verhaltensweisen bei den Eltern so richtig nerven. Das ändert nämlich nichts daran, dass wir ganz unbewusst gelernt haben: Bestimmte Verhaltensweisen in der Beziehung unserer Eltern funktionierten.