Wenn die Seele das Rückgrat krümmt

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Radiodoktor - Medizin und Gesundheit in 7 Tage Ö1 aufrufen

Montag
28. November 2011
14:05

Wenn die Seele das Rückgrat krümmt
Neun von zehn Österreicherinnen und Österreichern leiden im Laufe ihres Lebens an Beschwerden der Wirbelsäule. Nur in der Hälfte der Fälle ist tatsächlich "das Kreuz" - also der Lendenwirbelbereich - betroffen.

Fast genauso häufig sind Beschwerden im Bereich des Nackens und der Schulter. Immer mehr Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass psychische Ursachen und Auslöser mindestens so bedeutsam sind wie körperliche.

Moderner Lebensstil schafft Schmerzen

Die Zahl der Menschen, die an chronischen Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule leiden, ist enorm - es handelt sich um zwei Millionen Personen. Fast zwei Drittel davon sind Frauen! Auf körperlicher Seite sind eine vorwiegend sitzende Tätigkeit, mangelnde Bewegung oder Übergewicht Wegbereiter für die Beschwerden.

Doch auch psychische Probleme können sich schmerzhaft am Rücken bemerkbar machen. So äußern sich Überlastungssituationen oft in Rückenbeschwerden. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum mehr Frauen als Männer Wirbelsäulenprobleme haben. Die Mehrfachbelastung Kindererziehung, Haushalt und Beruf - mit einem Schuss Perfektionismus gewürzt - sorgt bei vielen Müttern für Dauerstress.

Kreuzschmerzen - Online-Infomappe

Die Infomappe zur Sendung im PDF-Format zum ausdrucken. Detaillierte Informationen zum Thema, Anlaufstellen, Buch-Tipps, Links und Adressen der Sendungsgäste.

Die psychosomatische Herangehensweise

Nicht immer kann bei Rückenschmerzen auch eine körperliche Diagnose erstellt werden. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sich die Betroffenen die Schmerzen nur "einbilden". Aus der Sicht der Psychosomatik hat jeder Rückenschmerz immer bio-psycho-soziale Komponenten. Die getrennte Betrachtungsweise von Leib und Seele werde, so unser Studiogast Christian Fazekas von der Universitätsklinik für Medizinischen Psychologie Graz, dem komplexen Geschehen nicht gerecht. Um hier vermehrt Angebote zu schaffen, wurde das "Netzwerk Psychosomatik Österreich" ins Leben gerufen.

Eine psychosomatische Diagnosestellung benötigt Zeit. Der untersuchende Arzt fasst die Beschwerdeschilderungen der Patientin/des Patienten im Rahmen des umfassenden Erstgesprächs sowie die Befunde der Diagnose-Verfahren zusammen. Ergänzend kann im Einzelfall eine psychologische Diagnostik mittels Fragebögen sinnvoll sein.

Mehr Eigenverantwortung von Betroffenen gefordert

Auch wenn es eine Binsenweisheit ist: Bewegung stellt den Schlüssel zur Besserung von Rückenproblemen dar. Erstens auf körperlicher Ebene, da das gesamte Muskel- und Skelettsystem davon profitiert.

Zweitens auch psychisch, da etwa Stress sich durch Aktivität abbauen lässt. Bei chronischen Rückenschmerzen ist es daher wichtig, dass nach Abklingen der Akutsymptomatik von den Patientinnen und Patienten eine aktive Haltung eingenommen wird. Denn ohne selbstverantwortliches Handeln ist, wie die Orthopädin Karin Moser-Schwab aus langjähriger Erfahrung berichtet, der Erfolg der verschiedenen Therapieansätze sehr begrenzt.

Zweiklassen-Medizin auf dem Rücken der Betroffenen?

Gerade bei der Betreuung von Menschen mit Rückenschmerzen wird das Vorhandensein einer Zweiklassen-Medizin evident. Denn viele effektive Trainings- und Behandlungsmaßnahmen sind privat zu zahlen.

Privatpatienten können hingegen auf wirkungsvolle Trainingstherapien zurückgreifen, die sie auch sofort und nicht erst nach Monaten erhalten, kritisiert die Orthopädin Karin Moser-Schwab. Bei chronischen Rückenschmerzen führt - so sind sich die Experten mittlerweile einig - nur ein interdisziplinärer Zugang zum Erfolg. Die Zusammenarbeit von Orthopädie, Physikalischer Medizin, Physiotherapie, Osteopathie und Psychotherapie führt in beinahe allen Fällen zur anhaltenden Besserung der Beschwerden.

Gestaltung: Ronny Tekal-Teutscher

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