Wenn die beste Freundin zum Feind wird

Wenn die beste Freundin zum Feind wird

Unterhaching - Zwei Schülerinnen berichten über ihr Leid als Mobbing-Opfer. Beate Schuster, Professorin für Pädagogische Psychologie an der LMU, weiß: „Der soziale Tod kommt dem realen sehr nah.

Diskutieren über Mobbing: (v.l.) die Schülerinnen Irina und Franziska, Lehrerin Julia Blümm, die Psychologinnen Julie Mair und Silvia Werner sowie der Arzt Thomas Kuchenbauer. Foto: Std

Mobbing: Das Wort geistert so inflationär wie selbstverständlich durch die deutsche Medienlandschaft. Wie Eltern, Kinder und Lehrkräfte der anscheinend gesellschaftsfähigen Schikane begegnen können, war Thema eines Vortrags in der Gemeindebibliothek Unterhaching. Neben Beate Schuster, einer Professorin für Pädagogische Psychologie an der LMU, der Lehrerin Julia Blümm, zwei Psychologinnen und einem Hausarzt kamen auch zwei betroffene Mädchen zu Wort.

Bis heute kann Franzi nicht verstehen, warum sie vor zwei Jahren zum Opfer geworden ist. Sie, die doch immer so beliebt war. Tränen laufen über das Gesicht der 17-Jährigen, als sie davon erzählt, wie ihre beste Freundin sie von einem auf den anderen Tag zum Feind erklärt hatte. Wie sie die gemeinsamen Freunde manipulierte bis Franzi plötzlich allein stand auf dem großen Pausenhof. „Besonders schlimm war’s im Sportunterricht, wenn die Mannschaften gewählt wurden“, erinnert sich die hübsche Schülerin mit den großen dunklen Augen. Ihre Stimme zittert beim Reden.

Franzis Geschichte ist eine von vielen. „In nahezu jeder Klasse gibt es ein bis zwei Opfer“, sagt Beate Schuster. Sozialer Status, Ausgrenzung und Mobbing sind die zentralen Kerngebiete der Professorin für Pädagogische Psychologie an der LMU. Das Leiden der Betroffenen sei schwerer zu verarbeiten als ein traumatisches Kriegserlebnis. „Der soziale Tod kommt dem realen sehr nah“, stellt die Fachfrau klar. Ihren Lehramtsstudenten Strategien für den Ernstfall mitzugeben, liegt Schuster deshalb sehr am Herzen. Dennoch, auch wer’s gut meint, macht vieles falsch.

Dass vermeintlich pädagogische Maßnahmen in Form von Gesprächsrunden oder Rollenspielen die Situation meist noch verschärfen, hat Irina Herzinger erleben müssen. Auch sie ist 17, auch sie wurde gemobbt. Nachdem ihre Mutter deshalb mit der Klassenlehrerin gesprochen hatte, knöpfte die sich die Täterin vor. „Danach fing der Terror erst richtig an.“ Zwischenzeitlich spielte Irina sogar mit dem Gedanken, die Schule zu schmeißen. Besonders die bevorstehenden Fachreferate im Abschlussjahr schienen unerträglich. „Am liebsten hätte ich die Lehrer gebeten, mich nicht mehr aufzurufen.“ Nicht auffallen, unsichtbar sein und so den Tätern keine Angriffsfläche bieten.

Solche Reaktionen kennt Julia Blümm nur zu gut. Sie ist Lehrerin der Fach- und Berufsoberschule in Tölz. Augen aufmachen und die Schüler auf Probleme ansprechen, das sei die Aufgabe von Lehrkräften, findet sie. Dass sich die Angriffe meist zwischen den Schulstunden abspielen, „wenn also kein Lehrer da ist“, mache es zwar schwieriger, dürfe aber keine Entschuldigung sein.

Was also können die Opfer tun? Eine gute Strategie sei es, außerhalb der Klasse nach Kontakten zu suchen. Das stärke das Selbstwertgefühl und erhalte die soziale Kompetenz der Kinder, erklärt Beate Schuster. „Der kluge Ratschlag ,Machs mit dir selbst aus‘ ist dagegen ein Relikt aus früheren Zeiten.“ Darüber zu sprechen helfe, sagt die Fachfrau in Richtung der Mädchen.

Ob Franzi und Irina nie wieder Opfer sein werden, das können sie nicht wissen. Aber, dass sie sich diesmal wehren würden.

Stephanie Dahlem

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