«Weihnachtsdekoration ist Psychologie»

Das hatte sich der Sponsor Bernexpo sicher anders vorgestellt: Der Weihnachtsbaum auf dem Bundesplatz stiess erst mal nicht auf Gegenliebe, sondern auf harsche Kritik: Die Dekoration sei eines Christbaums nicht würdig, die Tanne sehe aus wie eine «Zitronenpresse», eine «Morchel» oder eine «Zwiebel», hiess es aus der Bevölkerung. Nun wurde nachdekoriert. Warum aber sorgt eine simple Tanne mit Lichtern für so starke Emotionen? Drei Weihnachtsexperten erklären:

Johannes Wanner, Weihnachtsschmuckhändler in Basel


Weihnachtsschmuck ist etwas sehr Persönliches: Wenn die Leute bei uns im Laden ihre Auswahl treffen, offenbaren sie auch immer einen Teil ihrer Persönlichkeit. Und wenn ich Menschen bei ihrer Weihnachtsbaumdekoration berate, ist das auch Psychologie, ich werde schnell zu einem Teil der Familie. Der ideale Baum ist meistens derjenige, den man aus der Kindheit kennt, das ist eine sehr starke Erinnerung.
So gesehen, gibt es wohl keine Dekoration, die wirklich allen gefällt. Wenn wir Weihnachtsbäume im öffentlichen Raum gestalten, versuchen wir, auf den Standort Bezug zu nehmen. In Bern wäre das sicher der Bundesplatz und das Bundeshaus als Symbol für die Schweiz, also: viel Rot und Weiss, mit traditionellen Birnen, die wie Kerzen wirken. Im Bereich des Weihnachtsschmucks gibt es immer wieder Designer, die vor allem sich selbst verwirklichen wollen – das kommt selten gut an.

Martin Bachofner, Präsident Verband Schweizerischer Tourismusmanager


Einen einzelnen Baum in der Schweiz als Vorbild herauszupicken, wäre an dieser Stelle sicher nicht fair, denn manchmal sind es gerade die kleinen, feinen Dekorationen, die ein besonderes Flair ausstrahlen. Der prächtige Baum im Zürcher HB ist ein viel fotografiertes Sujet – es gibt zahllose andere Beispiele. Die Weihnachtsdekoration trägt zum Ambiente im öffentlichen Raum bei – heimelige Echtheit ist, was der Gast sucht.
Die öffentliche Dekoration in der Schweiz sollte möglichst stilvoll und dezent sein – eben passend zum Image, das die Schweiz in der Welt geniesst. Wenns grell, schrill und überbordend bunt wird, geht es meiner Meinung nach in die falsche Richtung. Ebenfalls seltsam mutet eine öffentliche Weihnachtsdekoration an, wenn sie sich zu stark an kommerziellen Themen orientierte. Hier möchte ich jedoch keine Linie vorgeben. Hinsichtlich der Weihnachtsdekoration hat eben auch jeder seine persönlichen Vorstellungen, und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

Philipp Gut, IG Suisse-Christbaum


Was ich als Weihnachtsbaumverkäufer feststelle: Wie andere Traditionen – etwa Schwingfeste – spricht auch die Weihnachtstradition wieder vermehrt Junge an. Mir wäre es als 20-Jähriger nie in den Sinn gekommen, zu Hause einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Wir haben aber immer mehr junge Kunden. Letztes Jahr war ich zur Weihnachtszeit in Malta. Da werden über Lautsprecher in der Strasse Weihnachtslieder gespielt, überall blinkt es in allen Farben. Für mich wäre das nichts. Ich mag es, wenn nicht zu üppig geschmückt wird und der Baum als solcher auch zur Geltung kommt. Aber Geschmäcker und Traditionen sind sehr verschieden. Dass dieses Thema so starke Reaktionen hervorruft, erstaunt mich nicht: Hier kann sich jeder ohne Aufwand eine Meinung bilden.
(zec)

(Erstellt: 11.12.2014, 17:30 Uhr)

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