Was sind eigentlich Denkstörungen?

Von Psychologie aktuell Ressortleiterin Katrin Fix.

Merkmal vieler psychiatrischer Leiden ist, dass sie mit Denkstörungen einhergehen. Aber was ist das eigentlich? Erstaunlicherweise tun sich auch viele Ärzte schwer, diese Frage eindeutig zu beantworten. Klar, eine Psychose kennt und erkennt selbst ein Laie. Aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer, sehr realer und beachtenswerter Denkstörungen.

Zwei Gruppen!

Zunächst einmal muss man Denkstörungen in zwei Gruppen einordnen: in formale Denkstörungen und in inhaltliche Denkstörungen. Allerdings sind auch hier die Definitionsgrenzen weicher, als man es sich wünschen würde. Schauen wir uns also zunächst einmal die formalen Denkstörungen an. Dies sind Störungen des Denkablaufs, die sich für den Außenstehenden möglicherweise nur in Form kommunikativer Auffälligkeiten zeigen oder ganz im Kopf des Betroffenen verborgen bleiben.

Sich einfach einen Computer vorstellen?

Hier greift das Beispiel des Computers: gestörte Arbeitsprozesse erkennt man als Nutzer z.B. an einem ruckelnden Bildaufbau. So könnte man glauben, der Bildschirm habe ein Problem, de facto sind jedoch die dahinterliegenden Verarbeitungsprozesse unsichtbar gestört. Für den Menschen bedeutet dies, dass die Beobachtungen, etwa an Sprache und Verhalten des Erkrankten, nur die äußerste Spitze eines Eisbergs sind. Diese erkennt man meist an Veränderungen der Geschwindigkeit, der Kohärenz und Stringenz des Gedankenablaufs.

Die Wurzel liegt tief in den Systemen!

Das dahinterliegende Geschehen ist für den Außenstehenden allerdings nicht zu sehen und kaum zu erahnen. Das ist beim Computer genauso wie beim Hirn. Hinzu kommt: für formale Denkstörungen existiert bis heute noch nicht die eine allseits kritiklos etablierte systematische Ordnung. Die verschiedenen Symptome haben bei ihrer Zuordnung häufig Überlappungen untereinander. Auch die Abgrenzung zu inhaltlichen Denkstörungen ist nicht immer eindeutig, wie es beispielsweise beim „eingeengten Denken" deutlich wird. Dennoch werden formale Denkstörungen klassifiziert.

FORMALE DENKSTÖRUNGEN
Eine der gängigeren Aufgliederungen sei im Folgenden angerissen:

Denkhemmung

Das Denken wird als unregelmäßig verlangsamt oder blockiert empfunden, als ob es gegen einen Widerstand durchgeführt werden muss.

Denkverlangsamung

Das Denken ist verzögert und wirkt in irgendeiner Weise verlangsamt oder stockend. So kann z.B. ein Gedanke nicht oder nicht erfolgreich bzw. nur zeitverzögert zu Ende gedacht werden.

Umständliches Denken

Hierbei kann Wichtiges nicht von Nebensächlichem getrennt werden. Der inhaltliche Zusammenhang des Denkens bleibt zwar gewahrt, verästelt sich jedoch in nebensächlichen Details.

Eingeengtes Denken

Hierbei sind die thematische Reichweite und die geistige Flexibilität herabgesetzt. Die Gedanken des Patienten kurven um die immer wieder gleichen Themen. Trotz Aufforderung kann der Betroffene das Thema nicht oder nur zeitweise wechseln.

Perseveration

Der gleiche Gedanke wird hierbei immer wieder gedacht, er wiederholt sich fast wie bei einem "geistigen Schluckauf" bzw. wie in einer Endlosschleife.

Grübeln

Hier ist eine intensive gedankliche Beschäftigung mit einzelnen Themen gemeint, die - nüchtern betrachtet - nicht zielführend ist. Im Kontrast zum eingeengten Denken ist ein Wechsel auf andere Themen aber durchaus möglich, wenn ein entsprechender Impuls gesetzt wird.

Gedankendrängen

Dabei fühlen sich die Patienten dem Druck vieler Einfälle oder Gedanken ausgeliefert, gleich einem Wasserfall an Ideen und Gedanken, den sie nicht abstellen können. Gedankendrängen ist ein typisches Symptom der Manie, kommt aber auch bei der Schizophrenie und anderen Erkrankungen vor.

Ideenflucht

Ein stark beschleunigtes Denktempo ist typisch für diese Denkstörung. Oft sind dabei auch die Assoziationen „gelockert" und die Gedanken erscheinen dem Betrachter sprunghaft. Im Klartext bedeutet das, der Patient kann leicht wirr erscheinen. In seinem Kopf scheint es zu schnell zu rotieren. Dieses Symptombild sieht man ebenfalls häufig bei der Manie, jedoch auch als Folge der Einnahme stimulierender psychoaktiver Substanzen (z.B. Alkohol, Cannabis, Amphetamine, „Wahrheitsdrogen" etc.).

Vorbeireden

Wie der Name es schon sagt, wird auf Fragen nicht eingegangen, obwohl sie inhaltlich verstanden wurden.

Gesperrtes Denken

Das gesperrte Denken oder „Gedankenabreissen" ist eine plötzliche Unterbrechung des Gedankenflusses.

Zerfahrenes Denken

Wie der Name es erahnen lässt, sind hier die einzelnen Gedanken zusammenhanglos, unlogisch oder bruchstückhaft. Im Extremfall kommt es zum „Wortsalat", wie man ihn bei manchmal bei Psychosen beobachten kann.

Wortneubildungen

Ebenfalls häufig bei Psychosen sind Wortneubildungen (Neologismen). Auch beim Autismus sowie beim Asperger-Syndrom und einigen Demenzarten tritt dieses Symptom auf.

Konkretismus

Dem Begriff wohnt seine Bedeutung schon inne: es wird alles wörtlich genommen, auch Metaphern und Redewendungen. Der Grund liegt in einer Schädigung des „übertragenden" Denkens. Man kann also Dinge nicht mehr im „übertragenen Sinn" verstehen.

INHALTLICHE DENKSTÖRUNGEN

Die inhaltlichen Denkstörungen umfassen im Wesentlichen:

  • Zwangsgedanken
  • Überwertige Ideen
  • Wahn

Zwangsgedanken

Zwangsgedanken sind meist dem Ich fremde Gedanken, Impulse oder auch bildhafte Vorstellungen, die sich immer wieder aufdrängen und das Gefühlsleben des Erkrankten unter ihre Kontrolle bringen. Der Betroffene erkennt Zwangsgedanken zwar bis zu einem gewissen Grad als solche, kann sie jedoch nicht kontrollieren. Es handelt sich dabei quasi um eine „Geiselnahme der Gefühle" durch pathologische Gedanken bzw. um ein „Verrücktsein bei klarem Verstand".

Überwertige Ideen

Eine überwertige Idee ist im Grunde ein Wahngedanke, bei dem der Patient noch einen Rest von Zweifel an seiner Richtigkeit hat. Erst wenn die Zweifel an einem „kranken" Gedanken komplett verschwunden sind, wird die Schwelle zum Wahn überschritten. Es gibt wenige typische Themenfelder für überwertige Ideen, der so genannte Erinnerungszweifel gehört jedoch sicher dazu.

Wahn

Beim Wahn handelt es sich um eine Inhaltsverarbeitungsstörung, bei der das erkrankte Gehirn aus korrekten sensorischen Daten und Erinnerungsinhalten fehlerhafte „Informationen" produziert. Alle damit verbundenen Gedanken, Ideen und Vorstellungen werden vom Betroffenen als Realität bzw. Wahrheit erlebt, die nicht mehr angezweifelt werden kann.

Buchtipp:
Psychiatrie für Laien: Auf Augenhöhe mit dem Arzt kommen.
(ISBN 978-37347-8328-9)

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