Was die Schrift über den Autor verrät



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Was die Schrift über den Autor verrät

Etliche Schweizer Unternehmen rekrutieren ihre wichtigsten Mitarbeiter noch immer mithilfe von Handschriftanalysen. Doch die Grafologie kämpft um ihren Ruf – und um Nachwuchs.

Die Handschrift ist für Grafologen ein Charaktermerkmal des Schreibers. Foto: Kniel Synnatzschke (Plainpicture)

Die Handschrift ist für Grafologen ein Charaktermerkmal des Schreibers. Foto: Kniel Synnatzschke (Plainpicture)

Der 66-Jährige hatte an der Uni Zürich Psychologie studiert. Heute erstellt er als selbstständiger Schriftpsychologe
grafologische Gutachten.


Mit was für einer Schrift haben wir es hier zu tun? (zum Vergrössern auf das Bild klicken)
Sie besticht durch ihren dynamischen, natürlich wirkenden Rhythmus. Die Formen werden sinnvoll vereinfacht, deuten auf eine vitale, selbstbewusste und zielorientiert agierende Führungskraft, die mit viel Initiative auf ihr Umfeld einwirkt und ihre Anliegen mit Überzeugungskraft vermittelt.

Lassen sich Aussagen machen über Geschlecht und Alter?
Es lassen sich höchstens Vermutungen anstellen. Die Erfahrung zeigt, dass ­Grafologen in 70 bis 80 Prozent der Fälle  das Geschlecht richtig zuordnen. In ­diesem Fall ist eine Aussage über das Geschlecht des Verfassers, der Ver­fasserin schwierig. Die Schriftzüge ­wirken nicht feminin, doch damit ist das Geschlecht noch nicht definiert. Der Schriftautor ist möglicherweise männlich, mutmasslich ca. fünfzigjährig. Die fehlende Unterschrift macht es zudem schwierig, eine verbindliche Aussage über den Auftritt oder die Selbsteinschätzung des Schriftautors zu ­machen. Kombiniert man die grafo­logischen Befunde mit biogra­fischen Daten, entwickeln sich konstruktive Möglichkeiten, das Persönlichkeits- oder ­Charakterbild des Autors zu vertiefen.

Welche weiteren Schlüsse ziehen Sie aus dieser Blinddiagnose?
Fest steht, dass der Schriftautor gern Kontakte knüpft, dass man es mit einer pragmatisch denkenden, entscheidungsfreudigen und intelligenten Persönlichkeit zu tun hat, die Erfahrung ausstrahlt und ihre Aufgaben mit unternehmerischem Elan anpackt. Die Grösse der Schrift und vor allem die expansiv wirkenden Schriftzüge deuten auf eine extrovertierte, selbstbewusste und gebildete Persönlichkeit hin, die in keiner Weise dazu neigt, sich in ambivalenten Betrachtungen zu verlieren.

Was würden Sie dieser Person ­beruflich raten?
Der Schriftautor wirkt zu extrovertiert und zu proaktiv, um sich beispielsweise in einer Drehscheiben-Funktion als Projektkoordinator oder Supporter wohlzufühlen. Der Schreiber legt offensichtlich Wert auf einen grosszügig definierten Handlungsspielraum, was einen Leaderanspruch signalisiert. Der Schriftautor ist im Grunde seines Wesens ein kontaktfähiger Generalist, will auch aus diesem Grund nicht mit Spezialaufgaben hinter den Kulissen, sondern eher mit einer breit gefächerten Management-und Führungsaufgabe konfrontiert ­werden.

Interview: Pierre Hagmann
*Das Schriftmuster stammt von einer 35-jährigen Psychologin.

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  • Das Comeback der Handschrift

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Körpersprache auf Papier sozusagen: Zeig mir, wie du schreibst, und ich sage dir, wer du bist. Das sagen Grafologinnen und Grafologen, die mit der Analyse von Handschriften Geld verdienen. Nur: Wer schreibt denn heute noch von Hand? Wir schreiben zwar so viel wie noch nie, doch die Handschrift droht zu ver­kümmern.

«Im Moment ist der Bedeutungs­verlust der Handschrift für die Grafologie keine akute Bedrohung», sagt Annemarie Pierpaoli, Präsidentin der Schweizerischen Graphologischen Gesellschaft (SGG). Praktisch alle Menschen würden weiterhin von Hand schreiben, und sei es nur für spontane, schludrige ­Notizen. Gerade diese weisen aber den ­höheren Ausdrucksgehalt aus als die ­sogenannt schöne, fast kalligrafisch ­wirkende Schrift.

Pierpaoli sagt aber auch: «Die Grafologie erlebt einen eklatanten Rückgang. Die Handschriftenanalyse ist bei der ­jüngeren Generation von Personal­managern und Berufsberatern deutlich weniger gefragt als noch vor 15 Jahren.» Hatte die SGG damals über 80 Mit­glieder, sind es jetzt nur noch 54.

Grösse, Weite, Schriftrichtung

Die Grafologie hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Es fehlen Forschungsergebnisse, die ihre Verlässlichkeit belegen würden. Deshalb hat sich die akademische Psychologie von ihr abgewandt. «Sämtliche Rückschlüsse von der Handschrift auf den Charakter einer Person sind wissenschaftlich nicht haltbar», sagt Margit Oswald, emeritierte Psychologie-Professorin an der Uni Bern.

Moderne Grafologie versteht sich als Schriftpsychologie. Sie orientiert sich an erfahrungswissenschaftlichen Prinzipien und untersucht Handschriften auf Grösse, Weite, Regelmässigkeit, Druck, Rhythmus und Schriftrichtung. «Es ist tatsächlich kein rein wissenschaftliches Instrument. Gefragt sind bei der Grafologie Erfahrung, Intuition, Interpretation», sagt Pierpaoli. Das ­widerspreche dem Zeitgeist – die heute akzeptierten psychologischen Tests seien rational, streng analytisch und standardisiert.

Auch Grafologe Erich Speck aus Zollikon hat mitverfolgt, wie «die Bedeutung der Grafologie abgenommen hat». In den 70er-Jahren hätten namhafte Psychologieprofessoren die umfassende Ausbildung zum Grafologen als wertvoll erachtet. Nun heisse es: Ein Schrift­gutachten sei nichts anderes als eine sinnlose, subjektive Projektion.

Es gibt Bemühungen, die Grafo­logie zu rationalisieren. Computerprogramme wurden entwickelt, um die Analyse einer Schrift zu quantifizieren, etwa in Bezug auf Grösse oder Richtung, «doch so verkommt Grafologie natürlich zum Kaffeesatzlesen», sagt Speck. «Handschriftmerkmale sind meistens mehrdeutig. Die Analyse einer Schrift erfordert Erfahrung und kombinatorisches Flair. Die Dynamik einer Person kann aber nicht quantifiziert werden.»

ZHAW-Studiengang gestrichen

In jüngster Zeit haben sich öffent­liche Hochschulen von der Grafologie abgewendet. Bis 2013 bot die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Zusammenarbeit mit der SGG einen Grundlagenkurs über drei Semester in Schriftpsychologie an. Dieses Angebot wurde zugunsten des psychodiagnostischen Rorschachtests gestrichen.

Die SGG bietet ihre Grundausbildung nun zusammen mit dem privaten Institut für angewandte Psychologie (IAP) in Basel an. Doch ECTS-Punkte gibt es für die Studierenden nicht mehr zu holen. Und so ist das Interesse gering: Das aktuelle Grundstudium, das am 18. April begonnen hat, absolvieren sechs Teilnehmer.

Eine der Absolventinnen, sie möchte nicht mit Namen genannt werden, ist 48-jährig und von der Materie seit langem fasziniert – zwei Gutachten, die über sie verfasst wurden, hätten «voll ins Schwarze getroffen». Sie erhoffe sich unter anderem, dank grafologischem Know-how die Menschen in ihrem Umfeld besser einschätzen zu können. «Ob ich die Grafologie je beruflich anwenden werde, weiss ich nicht.» Damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wäre ein harter Weg. «Frisch ausgebildete Grafologen haben es auf dem Markt extrem schwer», sagt Pierpaoli.

Eine rund vierjährige Grafologie-Ausbildung bietet die Schule Verband Deutschsprachiger Graphologen an. Laut Vorstandspräsidentin Andrea Klauser «nehmen die Anmeldungen für die Ausbildung seit zehn Jahren tendenziell ab». Beide Experten, Klauser und Pierpaoli, be­tonen, dass die Ausbildung viel Durchhaltevermögen voraussetze.

Laut Pierpaoli sind arrivierte Schriftpsychologen allerdings nach wie vor gut beschäftigt. «Es gibt grosse Schweizer Unternehmen, die bis heute regelmässig mit Grafologen zusammenarbeiten.» Nennen will sie aber keine.

Der Zolliker Grafologe Erich Speck, der auch für «mittelgrosse Banken» tätig war, spürt den Rückgang selber nicht. Er schätzt, dass in der Schweiz heute bei der Besetzung des mittleren Kaders in 15 bis 20 Prozent der Fälle grafolo­gische Gutachten beigezogen würden. Laut einer Umfrage von «HR Today», dem Schweizer Human-Resources-Management-Journal, holten im Jahr 2006 16,5 Prozent der Schweizer Unternehmen solche Gutachten ein.

Versteckte Analysen

Laut Speck wird auch inoffiziell mit Schriftanalysen gearbeitet. Es komme vor, dass Personalchefs mit einer Handschrift vorbeikämen mit der Bitte um eine Analyse. Solche Fälle verstossen ­allerdings gegen das Datenschutzgesetz. Grafologische Gutachten sind nur mit dem Einverständnis des Betroffenen ­erlaubt. Wer als (potenzieller) Arbeitnehmer einwilligt, hat Recht auf Einsicht in das Gutachten.

Wenn die Grafologie heute im Kader-Recruiting eingesetzt wird, dann hauptsächlich zur Kontrolle, als ein Instrument unter anderen. «Kommen die verschiedenen Tests zum gleichen Schluss, verringert sich das Risiko einer Fehl­besetzung», erklärt Speck. Um eine ­Kontrolle gehe es auch in der Berufs­beratung. Jemand glaubt, diese oder jene Begabung zu haben – die Analyse des Schriftbilds kann das bestätigen oder eben nicht.

Instrument im Dritten Reich

Wie unterschiedlich seriös die Grafologie wahrgenommen wird, zeigt auch ein Blick ins Ausland. In Frankreich, wo die moderne Grafologie im 19. Jahrhundert begründet wurde, ist das Verfahren ­anerkannter. In Deutschland dagegen dominiert bis heute ein negativer Beigeschmack, weil im Dritten Reich militärische Führungskräfte mithilfe von Grafologen rekrutiert wurden.

Die Schweizerische Graphologische Gesellschaft, die im November ihr 65-Jahr-Jubiläum feiert, plant unterdessen, die Statuten zu erweitern. Neben der Förderung der wissenschaftlichen Schriftpsychologie sollen auch die Pflege und die Verteidigung der Handschrift als Kulturgut anerkannt werden.

(Tages-Anzeiger)

Erstellt: 27.04.2015, 07:06 Uhr


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12 Kommentare

Adrian Müller


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Ich bin sicher, viele "Personalchefs" lassen auch noch ein Horoskop des Bewerbers erstellen...

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Gerhard Graf


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Und vielleicht lässt der Personalchef ja noch ein phrenologisches Gutachten erstellen, bei dem augfrund der Form des Schädels der Charakter des betreffenden Menschen beurteilt wird.

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