Wahrnehmung und Denken – So leicht lassen wir uns manipulieren


Von
Sebastian Herrmann

Betrunken ohne Alkohol, gefördert dank Vorurteilen, erfolgreich mit Glücksbringern: Es ist erstaunlich einfach, unsere Wahrnehmung und unser Denken zu beeinflussen. Wieso nur?

Warum wechselt Serena Williams ihre Socken nicht, so lange sie ein Turnier spielt? Zumindest erzählte die Wimbledon-Siegerin einmal, dass sie diese Marotte pflege. Die Frage könnte aber auch lauten: Warum zieht der Golfer Tiger Woods bei Turnieren sonntags am liebsten ein rotes Hemd an? Und weshalb trug der Basketball-Superstar Michael Jordan unter seinem Trikot immer seine alten Shorts aus Uni-Zeiten?

Katze vor StraßenlaternenBild vergrößern

Kann eine schwarze Katze das Leben eines Menschen beeinträchtigen? Die Vorstellungen und Erwartungen von Menschen, die von der Macht solcher Unglücksbringer überzeugt sind, entfalten in deren Kopf tatsächlich Wirkung.
(© picture alliance / dpa)

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Ganz einfach: Diese Marotten verleihen den Sportlern Sicherheit. Aus irgendeinem Grund betrachten sie die Kleidungsstücke als Erfolgsgaranten - und tatsächlich beeinflussen Stinkesocken mitunter die Leistung von Spitzensportlern.

Die Psychologen Robert Michael und Maryanne Garry von der Universität Wellington in Neuseeland sowie Irving Kirsch von der Harvard Medical School haben für einen Überblicksartikel Studien über ähnliche Formen der Suggestion und Autosuggestion zusammengetragen (Current Directions in Psychological Science, Bd. 21, S. 151, 2012).

Nicht alle Beispiele sind derart offensichtlich wie die von den Glücksbringern im Spitzensport. Oft handelt es sich um subtile Signale, die suggestive Kraft entfalten - und zwar ohne dass der Mehrzahl der Menschen bewusst wird, was da mit ihnen geschieht.

Die wohl wichtigste Einsicht aus der Forschung in diesem Bereich "besteht darin, dass unser Denken und unser Verhalten in viel stärkerem Maße, als wir es erkennen oder wollen, von unserem augenblicklichen Umfeld beeinflusst wird", schreibt der Harvard-Psychologe und Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman in seinem Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" (Siedler).

Sinnlose Objekte werden mit einem Erfolg assoziiert

Wer seine Sportsocken über mehrere Tage zu einem Anschlag auf die Nase verkommen lässt, möchte nach einem ersten Sieg unter möglichst exakt gleichen Bedingungen ins nächste Match gehen. So werden sinnlose Objekte oder Verhaltensweisen mit einem Erfolg assoziiert und mit einer Erwartung versehen.

"Wenn wir ein bestimmtes Ereignis erwarten, dann setzen wir automatisch eine ganze Kette von Denkmustern und Verhaltensweisen in Gang, die dieses Ergebnis eintreten lassen - nur dass wir die Ursache dafür falsch bewerten", schreiben die Psychologen um Michael in ihrer Arbeit.

Das mag banal sein, doch die einzelnen Beispiele dafür, wie sehr die Erwartung das Erleben und das Denken von Menschen beeinflusst, bleiben beeindruckend. Zum Beispiel wenn gegensätzliche Erwartungen bei einer Aufgabe auch gegensätzliche Ergebnisse produzierten. So gaben Wissenschaftler Probanden manipulierte Wodka-Tonics, die keinen Alkohol enthielten aber so schmeckten. Die Testpersonen erwarteten, dass der Alkohol ihre Sinne benebeln würde - und tatsächlich ließen sie sich in einem Versuch eher von irreführenden Informationen verwirren.

In einem weiteren Test ergab sich das gegenteilige Bild: Diesmal nahmen Probanden ein wirkungsloses Mittel in dem Glauben ein, es handele sich um ein Medikament, das die Leistungsfähigkeit von Soldaten im Einsatz steigere. Unter diesen Umständen waren die Probanden konzentriert und kaum empfänglich für die widersprüchlichen Informationen, die ihnen präsentiert wurden.


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