Verfassungsgericht: Berliner Richter kippen Numerus clausus

Humboldt-Universität zu Berlin wird 200 Jahre alt

Das Berliner Verfassungsgericht hat die bisherige Praxis bei der Zulassung von
Studienbewerbern zu bestimmten Fächern für unrechtmäßig erklärt und klare
Regeln für Numerus-clausus-Studiengänge gefordert. Die Universitäten seien
zur gleichmäßigen und erschöpfenden Auslastung der Hochschulen verpflichtet,
eine Zugangsbeschränkung sei nur in begründeten Ausnahmen zulässig, hieß es
in einem Beschluss am Freitag in Berlin. Der Fall muss nun vor dem
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg neu aufgerollt werden. (Az.:
VerfGH: 28/11)

Geklagt hatten zwei Studentinnen, die sich für den Bachelor-Studiengang
Psychologie an der Humboldt Universität beworben hatten. Nachdem die
Universität den Zugang mit Verweis auf den Numerus clausus abgelehnt hatte,
gingen die beiden Bewerberinnen bis vor das Oberverwaltungsgericht. Die
Richter lehnten die Eilanträge mit der Begründung ab, die Kapazitäten im
Fach Psychologie seien ausgeschöpft.

Die Verfassungsrichter ließen die Entscheidung nicht gelten. Das
Verwaltungsgericht habe sich in seiner Entscheidung auf eigene Berechnungen
gestützt. Dies verletze das Recht auf effektiven Rechtsschutz. Gerichte
seien nicht befugt, in einem Numerus-clausus-Eilverfahren die
Studienkapazitäten auf eigene Faust zu ermitteln. Dies gelte auch dann,
wenn, wie in diesem Fall, weder die Universität noch der Senat eigene Zahlen
über verfügbare Studienplätze und Ausbildungsaufwand in einer
Rechtsverordnung festgeschrieben hätten.

Nur bei besonderer Gefahr für die Hochschule
und die Grundrechte bereits zugelassenen Studenten, hätten Gerichte die
„Notkompetenz“ über eine Zulassung zu entscheiden. Eine solche
Ausnahmesituation sei in diesem Fall nicht ersichtlich, erklärten die
Verfassungsrichter.

Die Entscheidung hat auch bundesweite Bedeutung. In Berlin haben Richter
erstmals hochschuleigene Zulassungskriterien für die neuen
Bachelor-Studiengänge auf dem Prüfstand gestellt, die nicht durch
Rechtsverordnung des Senates festgelegt sind. In ihrer Begründung folgen die
Richter weitgehend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Das
höchste deutsche Gericht hatte diese Linie der erschöpfenden
Kapazitätsauslastung seit seinem ersten Urteil 1970 bisher 29 mal
bekräftigt.

Das neue Urteil dürfte auch den Streit um den überfälligen Start eines neuen
bundesweiten Zulassungssystems für NC-Studiengänge weiter anheizen. Die
Stiftung Hochschulstart.de hatte Anfang Dezember mitgeteilt, dass das neue
System via Internet zum Wintersemester 2012 nur mit erheblichen
Einschränkungen starten kann. An jeder zweiten Hochschule bestehen noch
technische Probleme mit veralteter Verwaltungs-Software.

Auch der Asta der Technischen Universität (TU) Berlin erklärte, die
Entscheidung werde Folgen auch für andere Studiengänge haben. Studenten, die
zur Zeit gegen einen Ablehnung in Berlin prozessierten, hätten nun eine
größere Chance, doch noch einen Studienplatz zu bekommen.dpa/sei

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