Trostlose Kasernen

München/Würzburg (epd/nd). Nach dem Suizidversuch eines 17-jährigen afghanischen Asylbewerbers in der Münchner Bayernkaserne stehen die Gemeinschaftsunterkünfte erneut in der Kritik. Der bayerische evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte, solche Unterkünfte könnten »keine dauerhafte Lösung sein«.


Der Würzburger Suizidexperte Armin Schmidtke verwies auf mehrere ausländische Studien, wonach die Unterbringung in solchen Einrichtungen die Selbstmordgefahr deutlich erhöhe. Der 17-Jährige wurde zunächst in eine Klinik eingewiesen, er wird psychiatrisch betreut.

Der Junge, der seit rund fünf Monaten in der Bayernkaserne untergebracht war, hatte in der vergangenen Woche versucht, sich zu erhängen. Der Suizidversuch konnte von Sozialbetreuern der Inneren Mission und dem Wachdienst gerade noch verhindert werden. In den vergangenen Wochen war der Afghane als Sprecher einer Gruppe von Asylbewerbern aufgetreten, die Verbesserungen für die Flüchtlinge in der Bayernkaserne gefordert hatten. Diese Gespräche sollen in dieser Woche jedoch fortgeführt werden, kündigte Sprecher Klaus Honigschnabel von der Inneren Mission München auf epd-Anfrage an.

Seit Jahresbeginn häufen sich die Zwischenfälle in bayerischen Flüchtlingsunterkünften: Ende Januar hatte sich in der Würzburger Gemeinschaftsunterkunft ein offenbar traumatisierter iranischer Asylbewerber das Leben genommen.

Hungerstreik im Januar

Ebenfalls im Januar waren in der Münchner Erstaufnahmeeinrichtung über 40 jugendliche Afghanen in einen einwöchigen Hungerstreik getreten. Sie forderten damit unter anderem bessere Bildungsangebote mit Deutschkursen sowie eine schnellere Verlegung in Anschlusseinrichtungen. Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sagte dem epd, er sei von dem Vorfall sehr betroffen. Gemeinschaftsunterkünften könnten keine dauerhafte Lösung sein, betonte Bedford-Strohm. Der Umzug in ein normales Wohnumfeld solle erleichtert werden. Dies sei der »beste Weg«, um Flüchtlingen ein vernünftiges Wohn- und Lebensumfeld zu bieten, das Verzweiflungstaten wie diese verhindern könne.

Der Würzburger Seniorprofessor für Psychologie, Armin Schmidtke, forderte eine bessere psychologische Betreuung von Flüchtlingen. Diese müsste allerdings am besten in der jeweiligen Muttersprache und von Landsleuten angeboten werden. In anderen Kulturkreisen äußerten sich bestimmte psychologische Probleme in anderen Symptomen als bei Europäern, erläuterte er. Schmidtke verwies außerdem auf Studien, wonach Asylsuchende in australischen Gemeinschaftsunterkünften ein 26 bis 41 Mal höheres Suizidrisiko hätten als die übrige Bevölkerung.

Viele Flüchtlinge erlebten während ihres Asylverfahrens einen monate- oder sogar jahrelangen Status der Unsicherheit. Die Perspektivlosigkeit sei enorm, es gebe oft nichts, was den Menschen in dieser trostlosen Situation als Lichtblick diene, so Schmidtke. Auch Retraumatisierungen seien durch eine Unterbringung in ehemaligen Kasernen denkbar. Aus Dänemark gebe es ebenfalls Studien zu Suizidraten bei Asylbewerbern. Diese hätten zwar nicht wie in Australien im hohen zweistelligen Bereich über denen der übrigen Bevölkerung gelegen, aber dennoch 3,4 Mal höher.

Ministerium bleibt hart

Eine Sprecherin des für die Asylbewerber zuständigen bayerischen Sozialministeriums sagte, Bayern halte weiterhin an dem Grundsatz der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften fest. Auch in Bayern sei aber unter bestimmten Voraussetzungen der Umzug in eine Privatwohnung möglich, davon machten etwa 50 Prozent der Asylbewerber Gebrauch. Die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften sei »bundesrechtlich vorgegeben«, heißt es in einer Stellungnahme des Sozialministeriums.

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