Tennis – Ovationen für den Hasardeur

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Roger Federer scheitert im Viertelfinale an Stan Wawrinka.

Gerald Kleffmann wurde 1970 in New York, USA, geboren. Er studierte Kommunikationswissenschaft, Jura und Psychologie in München und wurde dort anschließend an der Deutschen Journalistenschule ausgebildet. Bei der Süddeutschen Zeitung ist er seit 2002 Redakteur im Ressort Sport. Er betreut die Disziplinen Tennis, Golf und Basketball.

Ein letztes Mal noch schallte der Chor über den Court Suzanne Lenglen, der benannt ist nach einer Berühmtheit, die in den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mal eben 25 Grand Slams abgeräumt hatte. "Rooger, Rooger", das riefen fast alle der 10000 anwesenden Menschen, sie spürten, ihr Idol brauchte Zuversicht und Unterstützung von außen, in diesem Moment war das eine mal wieder bemerkenswerte Akustik. Denn exakt zur selben Zeit, als Roger Federer sich im Tie-Break des dritten Satzes beim Stand von 4:6 gegen die Niederlage stemmte, dröhnte auch der Lärm vom 300 Meter entfernten Hauptstadion herüber, wo Jo-Wilfried Tsonga Breakbälle hatte. Wäre dem Franzose n dieses Break zum 5:4 im dritten Satz gelungen, bei einer 2:0-Satzführung, er hätte zum Matchgewinn aufgeschlagen gegen Kei Nishikori, 25. So wie die Tennisklientel abging, konnte man sich bestens vorstellen, dass die französische Revolution nur in diesem Land stattfinden konnte. Wenn, dann bringen sich die Menschen hier mit ganzer Leidenschaft ein.

Eine Metallplatte von der Videowand stürzte auf Zuschauer - es gab drei Verletzte

Umso bemerkenswerter war es, wie still es nur zehn Minuten später am Bois de Boulogne wurde. Als hätte jemand Ohropax verabreicht, so gedämpft klang die Welt.

Roger Federer hatte die Niederlage nicht abwenden können, mit 4:6, 3:6, 6:7 (4) musste er seinen Freund und Schweizer Landsmann Stan Wawrinka ins Halbfinale der French Open einziehen lassen. Und der Japaner Nishikori, die Nummer fünf der Welt, in den USA ausgebildet und schwerreich ohne Grand-Slam-Titel, weil eine Werbe-Ikone in der Heimat, mimte den Spaßverderber - er drehte sein Match, holte Satz drei und auch vier. Am Abend, als dort das Momentum gekippt war, sah es aus, als würde sich der letzte Franzose im Wettbewerb verabschieden. Als würde Henri Leconte der letzte der Grande Nation bleiben, der im Finale stand, 1988. Für den letzten einheimischen Sieger muss man noch weiter zurückblicken, Yannick Noah reüssierte 1983. Die armen vier Musketiere Jean Borotra, Jacques Brugnon, Henri Cochet und René Lacoste, die vor dem Zweiten Weltkrieg eine Ära prägten, müssen als Büsten auf dem Turnierareal hautnah miterleben, wie alle ihnen nachtrauern.


French OpenBild vergrößern

Glückwunsch vom Kumpel: Roger Federer (links), obschon frustriert, gratuliert seinem Landsmann Stan Wawrinka zum Sieg in Paris.


(Foto: Pixathlon)

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Aber noch lebt die Hoffnung ja doch. Dank Tsonga, dem Hasardeur.

Tsonga, seit Jahren in der Weltspitze, aber ohne den großen Titel, fing sich und lieferte die letzte Kehrtwende in einem Match, das Ende des zweiten Satzes für eine halbe Stunde unterbrochen werden musste; eine Metallplatte wurde durch den Wind von der Videowand abgerissen und war auf die Menge gestürzt, glücklicherweise verletzten sich nur drei Besucher leicht. Tsonga, der seine mentale Seite als Schwäche bezeichnet, hakte das Tief ab, "ich besann mich auf meine Stärken", den Aufschlag, die Vorhand. Nach dem 6:1, 6:4, 4:6, 3:6, 6:3 war er es, der "Roland je t'aime" in den Sand schrieb, Roland Garros, wie das Turnier auch heißt, ich liebe dich. Dann legte er sich vor das Wort "aime" und mimte das T - T wie Tsonga. Die Menge johlte. In solchen Momenten lassen sich die Pariser erwärmen.

Dass Federer nun nicht Tsongas Gegner im Halbfinale sein wird, macht es immerhin den Zuschauern leichter, sich zu positionieren. Wawrinka ist, so gnadenlos tickt das Publikum in die andere Richtung, aufgrund seiner Taten im Davis-Cup-Finale im Herbst 2014 nicht gut gelitten, quasi im Alleingang hatte er Frankreich um die Trophäe gebracht. Selbst Federer huldigte damals seinem Kompagnon, die beiden stehen sich ja wirklich nahe, und daher wusste der Grandseigneur des Tennisbranche natürlich auch jetzt mit dem Aus umzugehen. "Wir wissen, dass Stan sehr gut spielen kann", sagte der 17-malige Grand-Slam-Champion - am Dienstag führte Wawrinka, der frech mit manchen Pfiffen verabschiedet wurde, exakt diesen Beweis vor. Der 30-Jährige aus Lausanne diktierte das Match, soweit das gegen einen wie Federer geht. Geduldig wartete er auf Chancen, dann wagte er mit der Rückhand, die vor Schönheit ein Weltkulturerbe werden sollte, und mit der schwer zu lesenden Vorhand den Angriff. "Das ist ein unglaublicher Moment, ich bin glücklich mit meinem Tennis", sprach Wawrinka, der seine Bilanz gegen Federer endlich aufhübschte: Von 19 Duellen hat er nun drei gewonnen, aber dieser Triumph ist ein bedeutsamer. Er eröffnet Wawrinka die Chance, erstmals in Paris das Finale zu erreichen.

Zum Geburtstag Djokovic

Rafael Nadal - Novak Djokovic 23:20

(9:3 bei Grand Slams, 6:0 bei den French Open)

Am Mittwochnachmittag bekommt Rafael Nadal entweder das gemeinste oder das ultimative Geschenk zum 29. Geburtstag: ein Duell mit Novak Djokovic (nicht vor 16 Uhr, live in Eurosport). Die Vorzeichen der Partie, die bereits zum 44. Mal stattfindet (Rekord auf der Profi-Tour), sind zweigeteilt: Djokovic hat zwar fünf der vergangenen sechs Auseinandersetzungen mit Nadal gewonnen (vier davon ohne Satzverlust) - aber bei den French Open konnte er keines der bisherigen sechs Duelle für sich entscheiden. sz

Federer wirkte aber auch sichtlich enttäuscht, "so ist das im Tennis, einer gewinnt und einer verliert", sagte er etwas ratlos, und so wird es tatsächlich an diesem Mittwoch auch Rafael Nadal und Novak Djokovic ergehen, die im Viertelfinale aufeinandertreffen. Der 33-Jährige aus Basel hatte sich bei dieser Turnierauflage ja gut gefühlt, besser als vor einem Jahr. "Ich habe den Ball gut gespürt", erklärte er, sein Sieg im Achtelfinale gegen Gaël Monfils hatte in ihm noch mal den Glauben gestärkt, nach 2009 ein zweites Mal das Außergewöhnliche auf seiner nicht ganz so geliebten roten Asche zu schaffen. Wawrinka agierte jedoch giftiger, fehlerfreier, in den ersten beiden Sätzen ließ er Federer wie einen normalen Profi von der Stange aussehen. "Ich hätte lieber auf dem Center Court gespielt", meinte Federer noch, das sollte aber keine Klage sein, er wusste ja, "vielleicht hätte ich dort auch so hoch verloren." Das waren mal wahre Worte zum Schluss, es hat eben seine Gründe, warum die Tennisfans so oft seinen Namen rufen. In Paris allerdings erst wieder 2016.

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