Stress in der Lebensmittelproduktion / Gewerkschaft fordert "Schichtarbeiter …

Lebkuchen, Spekulatius, Dominosteine. . . "Klar, haben wir in der Saison mehr zu tun", sagt Wilhelm Vorwerk-Handing, Prokurist bei Schulte Feingebäck in Rietberg. Rund 250 Angestellte arbeiten bei ihm im Drei-Schichtsystem in der Produktion. "Von Juni bis Oktober zirka 100 Saisonarbeitskräfte mehr", sagt Vorwerk-Handing. In diesen Monaten läuft das Hauptgeschäft. Für Weihnachten wird vorproduziert. Dann hätten die Arbeiter zwar höhere Arbeitsbelastungen, mehr Überstunden und Samstagsdienste. "Das muss man aber auch mal positiv sehen", sagt Vorwerk-Handing. "Diese können sie von November bis Mai und an Brückentagen wieder ausgleichen."



Psychische oder physische Erkrankungen aufgrund hoher Arbeitsbelastungen seiner Angestellten seien ihm nicht bekannt. Genauso geht es Fritz Köhne, Geschäftsführer von Marten/Vogt  Wolf: "Mehr Stress zu Weihnachten ist doch völlig normal. Dafür ist es dann am Jahresende sehr ruhig. Längerfristige Erkrankungen aufgrund von Stress gibt es bei uns nicht."

Frank Bollkämper, Betriebsratvorsitzender von Friesland Campina fügt hinzu: "Wir tun außerdem sehr viel dafür, dass es unseren Mitarbeitern gut geht. Bieten Gesundheitszirkel und Rückenkurse an."

Die drei heimischen Firmen scheinen Ausnahmen zu sein. Denn: Die bundesdeutschen Zahlen sprächen eine andere Sprache, erklärt Gaby Böhm von der NGG. "Generell nimmt der Stress am Arbeitsplatz zu, der Druck wird größer und die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren steigt." Davon würden immer mehr Angestellte dauerhaft krank, arbeitsunfähig und Erwerbsminderungsrentner.

Dem kann Christian Koopmann, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung Westfalen nicht zustimmen. Die Zahlen der Ewerbsminderungsrentner seien seit 2006 zwar stetig gestiegen. Das habe jedoch andere Gründe als vermehrten Stress am Arbeitsplatz. "Um eine Erwerbsminderungsrente zu bekommen, bedarf es bestimmte gesundheitliche und versicherungsrechtliche Voraussetzungen", erklärt Koopmann. "Gesundheitlich gesehen, wäre ein Erwerbsminderungsrentner nicht mehr in der Lage, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten. Versicherungsrechtlich muss er in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge gezahlt haben."
Das sei der Knackpunkt. Bis 2005 hätten nur Angestellte eingezahlt. Nun werden auch für Hartz IV-Empfänger Beiträge von der Agentur für Arbeit abgeführt. "Dementsprechend können nun auch mehr Arbeitslose die Erwerbsminderungsrente beantragen und bewilligt bekommen", sagt Koopmann. Vor allem dadurch könne der Anstieg der deutschen Erwerbsminderungsrentner zu erklären sein, mutmaßt der Pressesprecher.

Dennoch appelliert die Nahrungsmittel-Gewerkschaft an die heimischen Bundestagsabgeordneten für leichtere Zugänge zur Erwerbsminderungsrente und höhere Renten, vor allem für Schichtarbeiter, zu sorgen. "Diese Berufsgruppe arbeitet besonders hart", betont Gaby Böhm. "Dafür darf sie nicht bestraft werden." Beantrage ein angeschlagener Schichtarbeiter eine Erwerbsminderungsrente, hätte er oft einen " Gutachterspießrutenlauf"zu machen und mit hohen Rentenabzügen zu rechnen.

"Das ist so nicht richtig", kommentiert Christian Koopmann die Aussagen der NGG. Liege ein eindeutiger Krankheitsbefund vor, sei kein Gutachter nötig. Nur in Zweifelsfällen werde er dazu gezogen. "Wir leben in einer Solidargemeinschaft", betont Koopmann. "Da sind wir als Versicherung gefordert, den Rentenbedarf genau zu prüfen." Wer tatsächlich eine Rente benötigt, bekomme diese auch.
Zur Forderung der NGG nach einer Rentenerhöhung und weniger Abzügen sagt er: "Wie sollen wir das leisten? Das würde nur durch Hinaufsetzen des Renteneintrittsalters gehen. Damit wird sich die Politik künftig auseinandersetzen müssen."

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