So schmecken Ekel, Stolz und Wut

Die Psychologie-Professorin Christina Bermeitinger von der Hildesheimer Universität hat mit ihren Studenten, und Kochauszubildenden und deren Schulleiter Lasse Althaus den Zusammenhang zwischen Emotionen und Essen untersucht. Entstanden ist das "Kochbuch der Gefühle".

Die Welt: Hallo Frau Bermeitinger, haben Sie während der Recherche zugenommen?

Christina Bermeitiger: Gar nicht. (lacht) Ich nehme zum Glück nicht so leicht zu. Bei meinen Studenten und den Köchen, die an dem Buch mitgeschrieben haben, müsste ich aber noch einmal nachfragen.

Die Welt: Warum haben Sie überhaupt ein "Kochbuch der Gefühle" geschrieben?

Bermeitinger: Ernährung und Gefühle sind Themen, mit denen wir uns im Alltag ständig beschäftigen. Und deswegen habe ich mir gedacht, dass man beides gemeinsam etwas genauer betrachten sollte – und zwar aus zwei Perspektiven: der Sicht der Köche und der Psychologie.

Die Welt: Und was haben Sie herausgefunden?

Bermeitinger: Beides miteinander zu verbinden, ist nicht so einfach, wie man denken könnte. Wir haben uns deshalb für mehrere Ansätze entschieden, unser Gefühlskochbuch zu entwickeln: Entweder man befindet sich in einer Emotion und sucht dann ein passendes Gericht dazu. Was würden Sie gerne essen, wenn Sie traurig sind – einen Schweinebraten oder eher etwas Süßes mit Schokolade?

Die Welt: Definitiv Schokolade ...

Bermeitinger: Genau. Bei gewissen Emotionen fallen einem auch sofort gewisse Farben ein. Rote Zutaten zum Beispiel stehen für Wut oder Leidenschaft. Der zweite Zugang ist: Was kann man essen, um eine bestimmte Emotion auszulösen? Stolz etwa schmeckte für uns nach einem angenehmen Gefühl, das uns beflügelt wie etwa Hummer mit Chili oder Champagnergelee mit Granatapfel und Kardamon. Und bei der bei der Angst haben wir versucht, die typischen Symptome provozieren wie Zittern, steigender Blutdruck, Herzrasen und so weiter.

Die Welt: Und mit was sollte man dann kochen, wenn man Angst schmecken möchte?

Bermeitinger: Koffein ist eine Möglichkeit. Kaffee steigert zudem die Konzentration, ein ganz wichtiges Element von Angst.

Die Welt: Sie führen in Ihrem Buch auch Gefühle auf, die man nicht mit gutem Essen in Verbindung bringt: Gefühlschaos, Trauer, Ekel. Warum?

Bermeitinger: Die Frage ist doch: Was ist ein Gefühl? Aus wissenschaftlicher Sicht ist das sehr spannend. Nicht alle Gefühlsbegriffe werden von allen Menschen als Gefühle angesehen. Wir haben uns deshalb auch für welche entschieden, die man auf den ersten Blick als Emotionen erkennt.

Die Welt: Und wie schmeckt Ekel nun?

Bermeitinger: Ekel entsteht häufig durch den visuellen Eindruck, aber auch durch die Konsistenz. Würden Sie zum Bespiel noch eine Schokolade essen, die aussieht wie ein Hundehaufen? Zu Ekel zählt alles, was ein bisschen undefinierbar ist, etwas Musiges oder richtig schleimiges Zeug im Mund wie unser Wurm-Wackelpudding aus Götterspeise und Weingummi, aber auch unsere Tomatensuppe mit Mozarella-Oliven-Augen. Das Ekel-Gericht schlechthin für mich aus unserem Buch ist "Zungenragout in Madeira-Sauce". Da habe ich schon von vielen gehört, die ins Buch geguckt hat: "Bäh, muss das wirklich sein?"

Die Welt: Also eine Art Mutprobe?

Bermeitinger: Ja, so ungefähr. Ich sehe das Buch daher eher als Anregung. Zum Beispiel auch Labskaus oder Cornedbeef mit Gewürzgurken.

Die Welt: Würden Sie denn auch Kakerlaken kochen?

Bermeitinger: Ne, aber die könnte man natürlich einbauen. Insekten sollen schließlich einen hohen Eiweiß-Anteil haben. Noch haben wir sie aber nicht drin.

Die Welt: Und nach welcher Emotion kochen Sie zurzeit?

Bermeitinger: Im Moment finde ich Nostalgie sehr interessant. Die Rückbesinnung auf alte Werte und Geschmäcker also traditionelle Gerichte, es muss nicht immer so Außergewöhnliches sein. Das muss gar nichts Spezielles sein, vielleicht Sauerkraut und Kartoffeln – etwas sehr Einfaches und Schnelles, das es eventuell früher häufiger gab. Aber Grießbrei müsste ich mal wieder machen, ein ganz nostalgisches Gericht. Den kennt man noch von Mama oder Großmutter.

Christina Bermeitinger und Lasse Althaus (Hg.), "Kochbuch der Gefühle", Hildesheim: Gebrüder Gerstenberg 2012, 144 Seiten, 19,80 Euro

Christina Bermeitinger lehrt an der Universität Hildesheim Psychologie
Foto: Gebrüder Gerstenberg/Christina Bermeitinger

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Der Klassiker unter den Geborgenheits-Gerichten: ein Bratapfel
Foto: Gebrüder Gerstenberg/Christina Bermeitinger

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Der Grießbrei ist was für Nostalgiker
Foto: Gebrüder Gerstenberg/Christina Bermeitinger

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Der Lachs-Orangen-Linsen-Tartar ist ein „Stolz“-Gericht
Foto: Gebrüder Gerstenberg/Christina Bermeitinger

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Das „Kochbuch der Gefühle“ kostet im Handel 19,80 Euro
Foto: Gebrüder Gerstenberg GmbH Co. KG

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