So groß sind die Chancen beim Online-Dating

Die große Liebe beginnt immer häufiger online: In den USA findet sich einer neuen Studie zufolge bereits über ein Drittel aller Ehepaare über das Internet. Das ergab eine Umfrage unter rund 19.000 Paaren, die in den Jahren 2005 bis 2012 heirateten.

Diese Ehen seien sogar glücklicher und hielten länger als konventionell entstandene Beziehungen, berichten Psychologen in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). Deutsche Forscher bewerten dieses Resultat allerdings zurückhaltend.

In den USA verbringen der Studie zufolge Männer fast zehn Prozent und Frauen inzwischen 6,5 Prozent ihrer Freizeit online. Allein schon diese starke Präsenz erklärt den Flirt-Faktor im Netz, den die vielen Dating-Plattformen nutzen.

Rund 45 Prozent der Ehepaare, die sich online fanden, lernten sich demnach über solche Anbieter kennen. Rund 20 Prozent kamen über Soziale Netzwerke in Kontakt, deutlich weniger über Chatrooms (neun Prozent), Online-Communities (sechs Prozent) oder Spiele-Seiten (drei Prozent).

Im Internet begonnene Ehen stabiler und glücklicher?

Bleiben aber immer noch jene zwei Drittel der Paare, die sich auf "traditionelle" Weise fanden: Hier bahnten sich die meisten Ehen über Kontakte bei der Arbeit (21 Prozent) an, über Freunde (19 Prozent), die Schule (zehn Prozent) oder die Familie (sechs Prozent an). Weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landeten übrigens sogenannte Blind Dates (zwei Prozent).

Neben einem zufälligen Zusammentreffen in Bars zählten die über Kontaktanzeigen oder Agenturen vermittelten Blind Dates damit zu den am wenigsten vielversprechenden Arten, einen langjährigen Partner zu finden, betonen die Psychologen John und Stephanie Cacioppo von der Universität Chicago und ihre Mitautoren.

Darüberhinaus befragten die Forscher die Ehepaare nach dem Stand ihrer Beziehung – glücklich oder nicht? Das Ergebnis: Sechs Prozent der Online-Paare waren schon wieder geschieden – im Vergleich zu 7,6 Prozent der Ehen, die ohne Internet-Vermittlung zustandekamen.

Auf einer Zufriedenheitsskala bis 10 kamen die Onliner durchschnittlich auf den Wert 5,6, die Offliner lediglich auf 5,48. Daraus folgern die Autoren, dass Ehen, die im Internet begannen, ein wenig haltbarer und sogar etwas glücklicher sind.

An diesem Punkt wird Kai Dröge, Soziologe an der Universität Frankfurt am Main, allerdings ein bisschen misstrauisch. Denn der Auftrag zu der Studie kam von einem amerikanischen Online-Dating-Anbieter, eHarmony. Und mit diesem Dienst arbeiten drei der fünf Autoren beruflich zusammen.

Zwar hat Dröge an Methodik und Dokumentation der Untersuchung wenig auszusetzen, aber bei der Interpretation der Ergebnisse rät der Experte zu Vorsicht.

Netz nicht mehr nur Spielwiese für Affären

"Die Unterschiede in der Zufriedenheit und der Trennungsrate erscheinen mir als zu gering, um wirklich sagen zu können, dass Beziehungen, die online ihren Auftakt genommen haben, letztlich erfolgreicher sind als andere", sagt er.

Dennoch seien die reinen Zahlen in der Studie interessant. Denn sie belegen, dass im Internet durchaus langfristige und stabile Beziehungen entstehen können. Dröge, der auch zum Thema Internet-Dating forscht, sind keine vergleichbaren Untersuchungen zu Deutschland oder Europa bekannt.

"Aber ich sehe keinen Grund, weshalb die Ergebnisse nicht auf die hiesigen Verhältnisse übertragbar sein sollten", sagte er. "Lediglich mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung würde ich rechnen, denn in den USA hat sich Online-Dating bereits früher ausgebreitet als hierzulande."

Dröge interessiert noch eine andere Tendenz der Studie. "Anders als in der öffentlichen Diskussion häufig unterstellt, ist das Netz heute weit mehr als eine Spielwiese für kurzfristige Affären oder One-Night-Stands", urteilt er.

Auch für langfristige Liebesbeziehungen habe es sich einen festen Platz neben den klassischen Orten des Kennenlernens erobert. "Die Chancen auf eine glückliche Beziehung sind im Netz offenbar nicht kleiner als andernorts", folgert er.

Hürden einer Online-Beziehung

Erstaunlich findet Dröge die hohe Zahl der US-Partnerschaften, die online begannen. Allerdings sieht er hier dann doch ein kleines methodisches Problem: Die Forscher luden per E-Mail zur Teilnahme an der Umfrage ein. "Wenig internetaffine Personen dürften daher in dem Sample unterrepräsentiert sein", schränkt Dröge ein.

Die Untersuchung setzt außerdem zu einem sehr späten Zeitpunkt einer Beziehung ein – bei der Heirat. "Unsere eigenen Erkenntnisse zeigen aber, dass die größten Hürden einer Online-Beziehung viel früher liegen", sagt er.

Ein besonders neuralgischer Punkt sei etwa der Wechsel vom Online-Kontakt zur direkten Begegnung. Das bringe oft einen starken Bruch in der Beziehung mit sich. Vielen Paaren gelinge es zunächst nur schwer, zu der Vertrautheit und Nähe zurückzufinden, die sie im Internet hatten.

Diese Schwierigkeiten haben laut Dröge auch damit zu tun, dass Online-Kontakte sehr viel Raum für eigene Projektionen und Fantasien bieten. Das so entstandene Bild könne bei der ersten "echten" Begegnung schnell zusammenbrechen.

"Allerdings muss man bedenken, dass Projektionen und Idealisierungen am Beginn von Liebesbeziehungen immer eine große Rolle spielen", erläutert Dröge.

Online-Kontakte bieten viel Raum für Projektionen

Für Julia Dombrowski, Autorin des Buches "Die Suche nach der Liebe im Netz", liest sich die Studie zwar sehr spannend. Die Ethnologin glaubt allerdings nicht, dass die Ergebnisse auf Deutschland übertragbar sind.

"Das Online-Dating in den USA unterliegt viel stärkeren Normen", sagt sie. "Die Erwartungen sind sehr klar. Drei Mal treffen, dann küssen, dann miteinander schlafen – und dann ist man zusammen oder eben nicht." In Deutschland herrsche ein romantischeres Ideal vor. Der Umgang in Dating-Plattformen bleibe offener, oft auch spielerischer.

"Der Erfolgs- oder Effektivitätsgedanke ist nicht so ausgeprägt." Vielen Menschen sei auch die Werbung der Plattformen suspekt, sie blieben misstrauisch. "Unser Liebesideal führt wohl eher dazu, dass wir nicht so gern Teil einer Masse sein wollen", sagt Dombrowski.

Interessant findet sie an der US-Studie, dass anscheinend vor allem Menschen mit gutem Einkommen über Online-Plattformen zu glücklichen Ehen fanden. "Die Erfolgsquote spricht dafür, dass sich die Nutzer vor dem Dating lange und ernsthaft damit auseinandergesetzt haben, was sie von einer Beziehung erwarten", sagt sie.

In ihrer eigenen Studie für Deutschland ermittelte die Ethnologin, dass Menschen, die ernsthaft einen Partner suchen, 30 bis 50 Euro im Monat für Dating-Plattformen ausgeben – und zum persönlichen Kennenlernen auch viel umherreisen.

Besonders ausgeprägt sei die Suche nach einer langfristigen Beziehung bei Menschen ab Mitte 30, die nicht die Möglichkeit oder Lust hätten, ständig auszugehen. Auch Menschen mit typischen Männer- oder Frauenberufen schätzten die Online-Alternative – schlicht, weil ihnen der Job weniger Chancen biete, einem möglichen Partner zu begegnen.

Gefahr des Abstumpfens

Der Soziologe Dröge sieht im Online-Dating aber auch eine Gefahr für Nutzer: Angesichts der schier unerschöpflich erscheinenden Auswahl an möglichen Partnern könnten Menschen ihre Suche nach dem idealen Partner endlos ausdehnen.

"Mit der Zeit stellen sich dann zusätzlich Routinen und Abstumpfungen ein", berichtet er. Letztlich seien die Suchenden kaum in der Lage, überhaupt noch eine enge Bindung zu einem konkreten Gegenüber einzugehen.

"Sind diese Hürden allerdings erst einmal überwunden, dann sehe ich keinen triftigen Grund, weshalb eine im Internet begonnene Beziehung weniger stabil und glücklich sein sollte als eine, die an einem anderen Ort ihren Ausgang genommen hat", sagt er.

Unterschiede gebe es dennoch: Im Internet entstünden etwa häufiger Fernbeziehungen. Oft lernten sich auch Menschen kennen, deren Freundeskreise sich kaum überschneiden würden. Das könne die Anfangszeit einer Beziehung erschweren.

Allerdings lassen sich online und offline angebahnte Beziehungen oft kaum strikt voneinander trennen, wie Wissenschaftler der Universität Bamberg betonen.

Die Mitarbeiter des Forschungsprojekts "Das Internet als Partnermarkt" weisen darauf hin, dass viele Menschen sich zwar zunächst konventionell begegnen, dann aber die ersten Schritte zur Festigung der Bekanntschaft ins Internet verlegen. Andere lernen sich offline über gemeinsame Freunde kennen, halten ihren Kontakt dann aber über das Netz.

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