Sie fordern Nacktfotos – Pädophile geben sich in Magersuchts-Chats als …

Krasse Beleidigungen von anderen Mädchen sind in den Chats an der Tagesordnung.

Ana ist die beste Freundin, Ana ist hart und unerbittlich. Ana - so nennen junge Mädchen ihre personifizierte Magersucht. Der medizinische Fachausdruck dafür lautet „Anorexia nervosa“, daher die Abkürzung „Ana“.

Mit vollem Einsatz zelebrieren sie ihre Essstörung, hungern tagelang, treiben Sport bis zum Exzess und kämpfen für jedes Gramm, das sie dabei verlieren.

Neben der Magersucht stoßen die Mädchen im Netz nun noch auf eine ganz andere Gefahr. Pädophile versuchen in sogenannten Pro-Ana-Chats, an Nacktfotos der Teenager zu kommen.

Magersüchtige feuern sich gegenseitig an

In diesen Foren stoßen die essgestörten Mädchen in erster Linie auf Gleichgesinnte. Sie verabreden sich zu gemeinsamen Diät-Marathons und Hungerstreiks. In Whats-App-Gruppen feuern sie sich gegenseitig an - Tag und Nacht. Die Ana-Mitstreiterinnen sind immer dabei und überwachen gefühlt jedes Gramm, das man isst. Wird eine einmal schwach und gönnt sich eine Mahlzeit, wird sie von den anderen dafür fertig gemacht.

„Also an alle: Morgen wird gefastet!“ Die Mädchen feuern sich gegenseitig an, ihren Hungermarathon durchzuhalten.

„Was hast du in dich reingefressen?“ und „Kotz es aus!“ gehören noch zum freundlichen Umgangston.

Das Magazin Vice hat die Chatprotokolle der Magersüchtigen-Gruppe anonymisiert und veröffentlicht.

Nadja Brenneisen, eine Reporterin von Vice Alps, der schweizerischen und österreichischen Ausgabe des Lifestyle-Magazins, war eine Woche lang Teil einer solchen Whats-App-Gruppe und hat über ihre Erfahrungen mit dem Magerwahn ihrer Chatpartnerinnen geschrieben.

Bei der Recherche ist sie allerdings noch auf eine ganz andere Gefahr als die magersüchtigen Mitstreiterinnen aufmerksam geworden. Gewisse Chatpartner bieten sich den Mädchen als sogenannte „Coaches“ an, die den nötigen Drill und die nötige Überwachung liefern, um noch dünner zu werden.

Das Zielgewicht kann der „Coach“ angeblich nur bestimmen, wenn er Fotos in Unterwäsche von dem Mädchen zu sehen bekommt.

Brenneisen nahm Kontakt zu einem selbsternannten Pro-Ana-Coach auf, der auf dem Schweizer Blog „skinnylicous“ eine Anzeige geschaltet hatte. Sie gab sich als 15-Jährige aus, die unbedingt mager werden wolle. Der Coach mit dem Chatnamen Andree schrieb binnen eines Tages via Whats-App-Nachricht zurück.

Um ein realistisches Zielgewicht bestimmen zu können, müsse er zunächst Bilder in Unterwäsche von dem Mädchen sehen. Er selbst gab sich dabei als 25-jähriger Mann aus.

„Coach“ bestimmt die Spielregeln beim Abnehmen: intime Erniedrigung, Nacktbilder und Strafen kündigt er an.

Nadja Brenneisen ließ sich zu Recherchezwecken auf das Spiel ein und schickte ihm fremde Bilder aus dem Internet. Andree stellte direkt Bedingungen, die sie während seines Coachings befolgen müsse, um in die Magersucht getrieben zu werden.

Dazu zählten Nacktbilder, „intime Erniedrigung“ und „Strafen“. Nach kurzer Zeit beendete die Reporterin den Chat.

Polizeiliche Ermittlungen gegen Andree

Hier versuchen offenbar perverse Männer, die psychisch labile Situation von essgestörten Mädchen auszunutzen, um an Nacktbilder zu kommen. Auf perfide Art spielen sie ihre Macht über junge Frauen aus, die von Selbsthass zerfressen sind und eigentlich professionelle, therapeutische Hilfe bräuchten.

In einem Interview mit dem „Stern“ berichtet die Journalistin, dass sie ihr gesammeltes Material, auch die Chat-Protokolle mit Andree, der Polizei ausgehändigt hat. Da der Mann laut eigenen Aussagen in der Nähe von Frankfurt wohnt, hat inzwischen Interpol Wiesbaden die Ermittlungen in dem Fall „Coach Andree“ übernommen.

Magersucht - Was ist das?

• Magersucht ist eine Form der Essstörung. Die Betroffenen sind süchtig danach, dünn zu sein. Meist sind es Mädchen und Frauen, die an Magersucht leiden.

• Eine Form der Krankheit ist das Hungern, der komplette Verzicht aufs Essen. Eine andere ist der „Purging-Typ“: Die Betroffenen bringen sich selbst zum Erbrechen, um Gewicht zu verlieren.

• Viele hungern sich wegen ihrer „Sucht“ buchstäblich zu Tode. 2010 starben in Deutschland 82 Personen an Magersucht, ungefähr 100.000 Erkrankte gibt es.

• Je früher die Sucht behandelt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Hilfe für Magersüchtige gibt es in Zentren für Essstörungen. Zum Beispiel in Hamburg ✆ 040 - 4505121, Köln ✆ 0221 - 76 45 06 oder Bonn ✆ 0228 - 21 01 26

• Die größte Internet-Selbsthilfegruppe für Essstörungen findet man auf magersucht-online.de

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