Serie Fachhochschule: Zwischen Hörsaal und Streifenwagen

Großenbaum. Sie ermitteln am Tatort, kurven durch das Revier, sorgen auf den Straßen für Sicherheit. Polizeibeamte sind in der Welt unterwegs - so scheint es wenigstens. Die angehenden Polizisten an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV) in Großenbaum müssen oft „Schreibtischtäter“ sein. Sie büffeln Soziologie, Psychologie oder Politik, kämpfen sich durch Gesetzesbücher, denken über ethische Fragen nach. Und das immer mal wieder in ihrer dreijährigen Ausbildungszeit. Polizeibeamter wird man heute nämlich nur noch im Rahmen eines dualen FH-Studiums (das eigentlich sogar drei Säulen hat): Theorie-, Trainings- und Praxisphasen wechseln sich ab.

Christoph Brumm (22) hat’s bald gepackt, er ist im fünften Semstern, schreibt bereits an seiner Thesis mit dem Thema „Opferschutz - im Hinblick auf das Überbringen von Todesnachrichten“. Im Sommer will er das Studium mit dem „Bachelor“ abschließen.

Wo er sich später einmal sieht? „Vielleicht beim MEK“ (mobiles Einsatzkommando). Warum er sich für den Polizeidienst entschieden hat? „Ich wollte auf keinen Fall einen Bürojob machen, stellte mir die Arbeit bei der Polizei spannend vor. Außerdem sprach dafür, dass man während der Ausbildung schon bezahlt wird“, so der Mettmanner.

Ein „Krimi“ war schon der Einstellungstest. Denn von rund 8000 Bewerbern konnten nur 1100 genommen werden. „Am ersten Tag gab es Intelligenz-, Wissens-, Reaktions- und Konzentrationstest. Am Folgetag eine siebenstündige ärztliche Untersuchung und am dritten Tag dann ein Assessmentcenter. Das war schon richtig hart“, erinnert sich Christoph Brumm.

Anne Drüke (18), die im September 2011 zur FHöV kam, bereitete sich „ein halbes Jahr lang“ auf das Auswahlverfahren vor - vor allem in punkto Fitness. „Ich habe das deutsche Sportabzeichen gemacht, für den Triathlon trainiert“, berichtet sie. Vorausgesetzt wird für das Studium neben Bombenkondition übrigens auch der Rettungsschwimmer.

Die Abiturientin aus Leverkusen fand durch ein Schülerpraktikum Gefallen am Beruf des Polizisten. „Das ist kein Job, den man macht, um Geld zu verdienen. Da muss man schon begeistert sein“, sagt sie. Einen Einsatz hat sie bisher noch nicht gehabt, noch steckt sie im ersten Theoriemodul, setzt sich mit Staats- und Strafrecht, aber auch mit Themen aus Sozialwissenschaften, Psychologie, Politik, Ethik und natürlich den klassischen Polizei- und Kriminalwissenschaften auseinander. „Welche Befugnisse hat ein Polizist?“ ist eine der erste und wichtigsten Fragen, die geklärt sein muss.

Auf den ersten Auftritt in Uniform freut sich Anne Drüke schon. Dem allerdings geht noch das erste Training in einem der drei Camps des Landesamtes für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten voraus - wo das, was später ‘mal auf Streife gezeigt werden muss, zunächst in Rollenspielen geübt wird. „Das wird spannend“, glaubt die Studentin. Ihre Zukunftsvorstellung: „Ich möchte bei Großeinsätzen der Einsatz-Hundertschaft dabei sein.“

Fünf Theoriemodule mit insgesamt 81 Wochen Unterricht, sechs Übungseinheiten in einer Trainingsstätte (insgesamt 31 Wochen) und fünf Praxisphasen an einem Polizeipräsidium in NRW (mit Tutor, 28 Wochen) - absolvieren die Studenten der FHöV. Viele Klausuren und Zwischenprüfungen pflastern ihren Weg. „Unsere Leute müssen viel lernen und diszipliniert sein. Wer eine Klausur verhaut, darf ein Mal wiederholen. Wenn’s wieder nicht klappt, ist er weg vom Fenster“, erläutert Hochschulleiter Elmar Zimmermann. Thesis (etwa 40 Seiten) und Kolloquium stehen am Ende der sechs Semester.

„Wer die Fachhochschule verlässt, wird erst ein Jahr lang im Wach- und Wechseldienst eingesetzt - fährt ganz normal auf dem Streifenwagen mit. Dann kommt er für zwei Jahre zur Einsatzhundertschaft“, so Elmar Zimmermann. Erst danach könne er sich weiter spezialisieren. Viele Wege stehen offen - z.B. im Wachdienst, bei der Kripo, bei den Spezialeinheiten oder sogar bei Hubschrauber- oder Reiterstaffel.

Immer im Dienst

Der mittlere Dienst bei der Polizei ist abgeschafft worden. Jeder Neueinsteiger wird direkt für den gehobenen Dienst ausgebildet, er absolviert an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW ein dreijähriges duales Studium. Standorte der FHöV sind Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen, Hagen, Köln, Münster. Vorausgesetzt für ein Studium werden Abitur oder Fachhochschulreife. „Bewerber sollten nicht nur gewisse intellektuelle Fähigkeiten besitzen, sie müssen auch kommunikativ, teamfähig, belastbar und sportlich sein“, erklärt Elmar Zimmermann, Leiter der FH in Großenbaum.

Die Polizeianwärter erhalten ein Ausbildungsgehalt - derzeit cirka 900 Euro im Monat. Sie haben dafür aber auch Anwesenheitspflicht. Vorlesungen und Seminare in der Hochschule gelten als Dienst.

Wer das Studium abschließt, wird übernommen. Nach den ersten Berufsjahren und dem erfolgreichen Abschluss eines Auswahlverfahrens ist der Aufstieg in den höheren Polizeidienst möglich. Die Weiterqualifizierung erfolgt durch ein zweijähriges Masterstudium an der Deutschen Hochschule der Polizei. Infos: www.fhoev.nrw.de oder www.polizeiberuf-nrw.de

Andrea Müller

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