Schwul? Ich doch nicht!


Mnner halten Hndchen
Viele Menschen sind sich gar nicht über ihre sexuelle Orientierung im Klaren - die Erziehung spielt da eine große Rolle. © Imago/Cityfiles


Der frühere Vorsitzende der amerikanischen Jungen Republikaner, Glenn Murphy, trat öffentlich gegen die Rechte von Homosexuellen ein – bevor er wegen eines sexuellen Übergriffs auf einen Mann ins Gefängnis musste. Nicht minder schwulenfeindlich gab sich der Fernsehprediger Ted Haggard, privat allerdings bezahlte er einen Callboy. Wie kann es zu solchen Widersprüchen kommen? Netta Weinstein von der University of Essex und Richard Ryan von der University of Rochester glauben: Menschen sind sich über ihre sexuelle Orientierung oft selbst nicht im Klaren. Dies gelte besonders dann, wenn die Eltern sie in der Kindheit gehindert haben, ihre eigenen Gefühle und Wünsche zu entdecken.

Die Forscher fragten gut 500 amerikanische und deutsche Studentinnen und Studenten, zu welchem Geschlecht sie sich hingezogen fühlten. Sie versuchten aber auch, die unbewusst gehegte Vorliebe herauszufinden. Auf einem Bildschirm ließen sie das Wort "me" (ich) so kurz auf blitzen, dass die Versuchspersonen es nicht bewusst registrierten. Dann maßen sie, wie schnell es den Versuchspersonen gelang, beispielsweise das Piktogramm eines gleichgeschlechtlichen Paars per Tastendruck der Kategorie "schwul" zuzuordnen. Die Idee dahinter ist, dass bei insgeheim Schwulen das vorangehende "me" diese Kategorie im Gehirn bereits aktiviert hat und die Zuordnung dadurch schneller klappt.

Wie sich zeigte, verriet die Schnelligkeit der Reaktion tatsächlich etwas über die sexuelle Orientierung, zu der sich die Betreffenden bekannten. Doch das gilt nur, wenn Eltern die Versuchspersonen dabei unterstützt hatten, die eigenen Vorlieben herauszufinden. Ließen die Eltern dies dagegen nicht zu, war es vor allem bei unbewusst Schwulen anders: Die gemessene Orientierung hatte nichts mit dem zu tun, was die Befragten behaupteten. Besonders groß war die Diskrepanz, wenn die Väter Vorurteile gegen Homosexuelle äußerten. (Mütter erwiesen sich in diesem Punkt als weniger entscheidend.) Von Natur aus homosexuelle Kinder können sich ihre Wünsche dann offenbar nicht eingestehen. Sie müssen entsprechende Impulse unterdrücken und verdammen Homosexualität daher besonders eifrig.

Autor: Jochen Paulus

Erschienen in PSYCHOLOGIE HEUTE August 2012. Den kompletten Artikel finden Sie auf psychologie-heute.de.

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