Psychologische Hilfe für Krebskranke

Interview mit Professor Joachim Weis

Herr Professor Weis, wie sollten Krebspatienten psychologisch beraten und unterstützt werden?

Man würde erst einmal erheben, welche Gedanken der Patient in Bezug auf die Erkrankung hat. Dann käme man sehr schnell auf seine aktuelle Situation: Was kann er selbst machen, um besser mit den Belastungen umzugehen? Da gibt es konkrete Verhaltensstrategien: sich informieren etwa oder auch Entspannungstechniken erlernen, um Stress zu reduzieren. Wir geben Hinweise, was die Patienten selbst tun können, wie sie mit Nebenwirkungen oder ihren Stimmungstiefs umgehen, wie sie mit ihren Angehörigen und den Ärzten sprechen.

Soll denn jeder Krebspatient ein derartiges Angebot erhalten oder nur solche Patienten, die Beschwerden und Ängste von selbst äußern?

Nach der neuen Leitlinie sollen alle Patienten hinsichtlich ihres Belastungsgrades überprüft werden. Das geschieht in der Regel mit Selbstbeurteilungsbogen, die in ein paar Minuten auszufüllen sind. Wir wollen also nicht, dass nur diejenigen entsprechenden Kontakt bekommen, die hohen Leidensdruck haben und auf sich aufmerksam machen – so wie es bisher ablief –, sondern dass man alle frühzeitig untersucht, um herauszufinden, wer Hilfe benötigt. Man muss die Patienten aber natürlich auch danach fragen. Manche wollen keine Beratung. Der erste Schritt ist also die Identifikation der Patienten. Der zweite ist dann die genaue Diagnose durch eine Fachkraft.

Kann so eine Maßnahme auch Nebenwirkungen haben? Soll man Patienten manchmal vielleicht nicht auch ihre Abwehr lassen?

Absolut. Man geht davon aus, dass die Patienten ein Stück Abwehrleistung haben, um sich seelisch zu stabilisieren. Diese Verdrängung akzeptiert man – anders als in der Tiefenpsychologie. Die Krebspatienten sind in einer extrem belastenden Situation, und sie brauchen ein Stück Verdrängung, um überhaupt standhalten zu können.

Sie therapieren aber trotzdem...

Ja, denn kein Krebspatient kann die Situation zu hundert Prozent verdrängen. Daher würde man im Zuge einer weiteren Betreuung versuchen, andere Strategien zu entwickeln, denn langfristig ist eine Abwehr nicht unbedingt hilfreich, weil derjenige vielleicht falsche Dinge tun würde. Möglicherweise würde er sich einer belastenden Therapie, die Heilung bedeuten könnte, nicht unterziehen.

Leave a Reply