Psychologie: Sind wir zu zweit mutiger?

Batman hatte Robin, Bonnie hatte Clyde, und Thelma hatte Louise. Ist das Duo wirklich die beste Konstellation für kleine und große Heldentaten? von Haluka Maier-Borst

Die Mutprobe vom Fünf-Meter Brett im Schwimmbad: Springt man eher hinunter, wenn man zu zweit ist?  |  © manun / photocase.de

Da steht sie an der Bar, hübsches Shirt, vorsichtiger Blick, fischt die Kirsche aus dem Cocktail. Einfach rübergehen und ansprechen? Kommt nicht gut an, oder? "Jetzt trau dich schon!", sagt der Freund und schiebt mich in ihre Richtung. Plötzlich sind es nicht mehr drei Meter, sondern es ist nur noch eine Armlänge bis zu ihr. Sie guckt verdutzt, Stille. Die ersten Worte holpern heraus, unbedarft, das Herz pocht. Dann lächelt sie kurz. Der Puls beruhigt sich, wir reden, der Abend ist gerettet. Man muss sich halt nur trauen.

Freunde können uns helfen, über den eigenen Schatten zu springen. Mit ihrem Beistand schicken wir endlich die Bewerbung raus oder treten die Weltreise an. Aber auch die ausgefallenen Schuhe in Neongrün kaufen wir eher im Rudel, weil wir in der Gruppe risikoreicher handeln.

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Die Psychologen Margo Gardner und Laurence Steinberg haben diesen Effekt nachgewiesen, indem sie rund 300 Menschen eine Fahrsimulation spielen ließen. Ziel des PC-Spiels war es, möglichst spät zu bremsen, sobald ein Hindernis auf dem Bildschirm auftauchte. Trotzdem sollte es zu keinem Crash kommen. Solange die Testpersonen alleine spielten, fuhren sie vorsichtig. Selten prallte mal einer auf die Mauer auf. Sobald die Probanden aber noch zwei Zuschauer hinter sich hatten, kurvten sie waghalsig umher. Besonders betroffen schienen von diesem Mutproben-Effekt die Heranwachsenden zu sein. Mit Zuschauern manövrierten sie fast doppelt so oft in einen Crash wie die Alleinfahrer in der gleichen Alterskategorie. Dazu passt, dass junge Straftäter häufig in Gruppen aufgegriffen werden, während Erwachsene häufig Einzeltäter sind.

Doch der Mut zum Risiko muss nicht nur halsbrecherische Folgen haben. "Wenn wir in Gruppen unterwegs sind, trauen wir uns zum Beispiel eher zu, jemandem in einer Notsituation zu helfen", sagt der Sozialpsychologe Ulrich Wagner von der Universität Marburg. Allerdings müssen die Beteiligten sich dafür zumindest flüchtig kennen. Sind sie nur zufällig am gleichen Ort, tritt dagegen der Bystander-Effekt ein. Er macht nichts, also mach ich auch nichts. Keiner hat’s gesehen, und der Verletzte bleibt liegen. Sind wir allerdings mit Freunden unterwegs, zeigen wir eher Courage, egal, wie viele wir sind. "Damit wir mehr Mut haben, reichen zwei Personen in der Tat schon aus", sagt der Sozialpsychologe Wagner.

Haluka Maier-Borst

Zwei Freunde gegen die Hasenfüßigkeit – ganz so simpel ist es dann doch nicht. Einige Experimente zeigen nämlich das Gegenteil: In einem Versuch sollten Testpersonen den maximalen Preis beziffern, den sie für einen Lottogutschein zahlen würden. Obwohl das Los stets dasselbe war mit einer 50-prozentigen Chance auf einen 100-Dollar-Gewinn, unterschied sich die Risikobereitschaft zwischen Zweier-Teams und Alleinentscheidern. Während Einzelpersonen im Schnitt 24 Dollar für das Los bezahlen wollten, lag die Schmerzgrenze im Duo schon bei 20 Dollar. Dieses Verhalten ist jedoch nur auf den ersten Blick paradox, wie Andrea Abele-Brehm von der Universität Erlangen-Nürnberg erklärt. "Zu zweit entscheidet man nicht zwangsläufig mutiger, aber in jedem Fall extremer", sagt die Sozialpsychologin. "Wenn wir sowieso dazu neigen, den Job zu wechseln, dann bestärkt uns der andere in unserer Entscheidung. Umgekehrt wollen die meisten Menschen beim Geld das Risiko gering halten, also sind wir zu zweit noch vorsichtiger." Der zweite Mann (oder die zweite Frau) ist also kein Garant für mutigere Entscheidungen. Aber in jedem Fall bekommen wir einen Schubser in die Richtung, in die wir sowieso wollten. —

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