Psychologie: Wenn der Trieb regiert – Sexsüchtige sind meistens männlich

Flucht auf dem Balkon – etwas anderes ist dem erschöpften Münchner nicht mehr geblieben. Denn drinnen lauerte eine lüsterne Sexbekanntschaft, die der 43-Jährige gerade erst in einer Kneipe kennengelernt hatte. Das amouröse Abenteuer wurde für den Handwerker schnell zum Alptraum: Einmal in Fahrt geraten, konnte seine 47-jährige Affäre nicht mehr genug bekommen und sperrte den verzweifelten Mann kurzerhand in ihrer Wohnung ein.

So blieb ihm nichts anderes übrig, als bei Polizei um Hilfe zu rufen. Dann war auch für sie erst einmal Schluss mit der Leidenschaft: Ihr droht nun eine Anzeige wegen sexueller Nötigung und Freiheitsberaubung.

Die skurril anmutende Geschichte ist zumindest in dieser Konstellation eher selten. Obwohl auch Frauen unter einer sogenannten "Sexsucht" leiden können, ist sie beim anderen Geschlecht fünfmal häufiger. "Während sich Frauen vor allem um ihr Aussehen sorgen, beschäftigen sich Männer in der Regel häufiger mit Sex," erklärt Dr. Kornelius Roth aus Bad Herrenalb.

Suchtkranke leiden unter Kontrollverlust

Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychiatrie beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit dem Thema "Sexsucht" und hat dazu einen Ratgeber für Betroffene und Angehörige geschrieben. Denn Rat haben Sexsüchtige dringend nötig. Wie alle Suchterkrankten leiden auch sie unter einem Kontrollverlust über sich und ihr Handeln.

Die Folgen dieser Zügellosigkeit sind zwar individuell verschieden, aber meistens dramatisch. Manch einer gibt all sein Geld für käuflichen Sex aus. Ein anderer findet vor lauter Pornos-Schauen keine Zeit mehr zum Lernen und Arbeiten.

Sexsüchtige haben ihr Leben komplett dem drängenden Verlangen angepasst. Was für Außenstehende fast unbegreiflich ist, hat meist einen traurigen Hintergrund: "Von der Sexsucht sind in erster Linie Menschen betroffen, die in ihrer Kindheit sexuell verwundet worden sind, zum Beispiel in Form von Gewalt oder Ausbeutung", erklärt Roth.

Verfügbarkeit von Sex wird zum Problem

Neben seelischen Verwundungen wird die Krankheit aber auch durch die Verfügbarkeit von Sex und Pornografie beeinflusst. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass Sexsucht in den letzten Jahren weiter zugenommen hat. "Pornografie ist durch das Internet einfach und anonym verfügbar", warnt Roth. "Deswegen können heutzutage auch schon sehr junge Männer an einer Sexsucht erkranken."

Glücklicherweise kann die Krankheit jedoch gerade in jungen Jahren noch gut behandelt werden. Roth setzt dabei auf zwei grundlegende Elemente: "Betroffene müssen schädliches Verhalten ab- und stattdessen ein positives, nährendes Sexualleben aufbauen. Es ist wichtig, dass die partnerschaftliche Sexualität gefördert wird."

Auch Sexsüchtige dürfen also regelmäßigen Sex haben – allerdings besser im Rahmen einer Partnerschaft. Diese Option hat die Münchnerin sicherlich verspielt. Ihren Liebhaber wird sie wohl allenfalls vor Gericht wiedersehen.

Dr. Roths Buch "Sexsucht – Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige" ist 2012 in der 4. Auflage erschienen.

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Wie lang, wie oft, wo und mit wem?

Roisin Murphy

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