Psychologie: Lila Verführung

Psychologie Lila Verführung

Farben bieten uns Orientierung, wir kommunizieren durch sie und lassen uns oft sogar von ihnen beeinflussen

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22.04.14, 01:35

Psychologie

Farben bieten uns Orientierung, wir kommunizieren durch sie und lassen uns oft sogar von ihnen beeinflussen

Von
Fanny Jimenez

Lila?! Mit diesem Vorschlag wäre der Grafiker und Farbpsychologe Harald Braem fast gescheitert. Als er 1972 gemeinsam mit seinen Kollegen über eine neue Werbekampagne für Milka nachdachte, schien ihnen die Idee absolut plausibel, steht Lila doch für Sinnliches, eine Farbe, die den Charakter von Schokolade durchaus trifft. Also schlugen sie der Firma vor, eine lila Kuh für die Kampagne zu nehmen – als Symbol für die sanfte Art der Verführung. Die aber war empört. Glückliche Kühe auf sauberen Almen anmalen? Lila? "Beinahe wären wir in der ersten Runde rausgeflogen", sagt Braem. Aber dann setzte sich die lila Kuh doch durch. Und wie.

Reiner Zufall war das sicher nicht. Kräftiges Lila ist, genau wie Rot und Orange, die Farbe, die Babys bereits im Alter von vier Monaten lieben, wie die britische Psychologin Anna Franklin herausfand. Das hängt mit der Entwicklung des Farbsehens zusammen. Als Erstes können Neugeborene Rottöne erkennen. Später folgen Grün, Gelb und schließlich im Alter von vier Monaten Blau.

Die Zapfen im Auge, die Blau erkennen, entwickeln sich als Letztes. In der gleichen Reihenfolge fangen später in allen Sprachen der Welt Drei- bis Vierjährige an, Farben zu benennen. Die Vorliebe für Lila hält sich ebenfalls bis zu dieser Zeit. Doch dann beginnen Kinder, eine Geschlechtsidentität zu entwickeln, und die Präferenz geht zu Rottönen und Lillyfee-Pink bei den Mädchen, zu Blautönen bei den Jungen.

Noch im 19. Jahrhundert war es andersherum. Blau galt als Mädchenfarbe, weil auf Gemälden für das Gewand Marias traditionell Blau verwendet wurde. Rosa und Rottöne hingegen nahm man als aggressiver wahr und kleidete Jungen so ein. Warum sich das geändert hat, ist bis heute nicht restlos geklärt. Sicher aber ist: "Kinder lieben die Grundfarben", sagt Braem. "Erst ab der Pubertät ändert sich das. Dann fangen sie auch an, sich für Mischfarben und Pastelltöne zu interessieren."

Im Erwachsenenalter sind die Pastelltöne sowie kältere Grün- und Blautöne oder Ton-in-Ton-Kombinationen vor allem bei Stadtmenschen beliebt. Auf dem Land, sagt Braem, mag man hingegen eher satte und kräftige, warme Farben. Schaut man sich aber alle Deutschen an, wie es das Institut für Demoskopie Allensbach getan hat, zeigt sich: Blau ist unschlagbar. 40 Prozent der Befragten gaben Blau als Lieblingsfarbe an, gefolgt von Rot mit 19 und Grün mit 18 Prozent. Schwarz liegt mit 16 Prozent noch vor Gelb mit elf und Weiß mit acht Prozent. Orange, Braun und das in der Kindheit so heiß geliebte Lila kommen hingegen nur auf gut sechs Prozent.

"Blau wird so gemocht, weil sich diese Farbe nicht aufdrängt – und man ihr deshalb gern folgt", erklärt Braem. "Sie verkörpert auch Dinge, die einerseits ungreifbar sind, die man aber andererseits nicht infrage stellen kann, Instanzen wie den Himmel und das Meer etwa." Blau ist deshalb auch eine beliebte Farbe für internationale oder staatliche Instanzen: Symbole wie das der EU, die Uniformen der Polizei, und Schriftzüge und Logos von Versicherungen werden gern in Blautönen gehalten.

Je älter die Menschen werden, desto mehr tendieren sie zu gedeckten, dunkleren Farbtönen, sagt Braem, gerade bei der Kleidung. Eine Ausnahme ist der Lippenstift bei Frauen, wie das Institut für Demoskopie in Allensbach ebenfalls herausfand. Benutzte vor 30 Jahren nur jede vierte Frau über 65 Jahren einen Lippenstift, so war es 2012 bereits jede zweite. Auch wenn es im Alter insgesamt etwas farbloser zugeht: Die Bedeutung der Farben ist so tief verwurzelt im Menschen, dass sie bis zum Ende des Lebens eine wichtige Rolle spielen. "Menschen mit einer Demenzerkrankung etwa vergessen so ziemlich alles", sagt Braem. "Was sie aber nicht vergessen, sind Farben." Seniorenresidenzen wie die in Hagen machen sich das zunutze: Sie schaffen gelbe, rote oder grüne Stockwerke, die auch im Fahrstuhl so markiert werden. Mit diesem System können sich auch Demenzkranke noch gut im Gebäude orientieren.

Die Pole der Farbskala, Schwarz und Weiß, verkörpern Extreme – und kommen häufig bei einschneidenden Lebensereignissen zum Einsatz: bei Geburt, Hochzeit und auch nach dem Tod eines Menschen. Ob hier Schwarz wie bei uns oder Weiß wie etwa in China als Farbe der Trauer gilt, sagt einiges über die Kulturen aus, findet Braem. "Im östlichen Denken ist der Mensch im Tode rein und dem Göttlichen nahe, daher wird er mit Weiß assoziiert", sagt er. "Im westlichen Denken aber wird ein Todesfall als eigener, materieller Verlust gesehen. Daher wählen wir hier traditionell die Farbe der Distanz, das Schwarz, als Farbe der Trauer." Nicht alle Kulturen beschränken sich im Trauerfall auf Schwarz oder Weiß. In vielen mittel- und südamerikanischen Ländern ist der Totenkult eine bunte Angelegenheit – bei der Gestaltung der Friedhöfe ist keine Farbe tabu. Leuchtendes Lila, kräftiges Rot oder knalliges Orange werden dort besonders gern für die Dekoration des Ortes gewählt, an dem man geliebte Menschen in Ehren hält.

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