Psychologie: Geiz macht unbeliebt

Gene und  Erziehung scheinen eine Rolle zu spielen

Der Geiz, die Säge an der Liebe: Besonders die Frauen klagen darüber, dass ihr Mann geizig sei. Einen Geizhals kann man nicht ändern, sagt der Volksmund. Das scheint nun zum Teil auch wissenschaftliche Erkenntnis zu stützen. Danach steckt uns Geiz offenbar zumindest teilweise in den Genen. Der Verhaltensgenetiker Professor Richard Ebstein von der Universität Jerusalem identifizierte vor einiger Zeit ein Gen namens AVPR1a, das offenbar Einfluss darauf hat, ob jemand eher knickerig oder spendabel ist. In einem Experiment gab Ebstein Versuchspersonen einen bestimmten Geldbetrag und stellte ihnen frei, einen Teil davon zu spenden. Dabei wurde beobachtet, dass die Testkandidaten mit einer verkürzten Variante des „Spendier-Gens“ im Erbgut am wenigsten abgaben.

In der Frühgeschichte des Menschen brachte der Geiz – das Nicht-Teilen-Wollen und Festhalten an Vorräten – möglicherweise Vorteile im Kampf ums Überleben. „Doch wenn unsere Vorfahren mehrheitlich geizig gewesen wären, gäbe es uns nicht“, so Bucher. Die Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass nicht durch Egoismus, sondern nur durch „reziproken Altruismus“, also die wechselseitige Uneigennützigkeit, das Überleben und die Weiterentwicklung möglich waren – und sind. Vielleicht aus diesem Grund zählt offenbar bis heute als entscheidendes Kriterium der Partnerwahl, ob der andere die Bereitschaft zum Teilen mitbringt oder nicht. Wer geizig ist, hat schlechte Karten.

Erziehung und Umwelt beeinflussen ebenfalls die Neigung zum Geiz. Der Begründer der Psychoanalyse Sigmund Freud nahm an, dass der Geiz seinen Ursprung in einer gestörten analen Phase des Kleinkindes habe, die zu Lustgewinn beim Zurückhalten der Exkremente – und später des Geldes – führe. Vielleicht verbirgt sich hinter dem Anklammern an Besitz auch eine Art Verlustangst. Sicher ist: Mutter und Vater sind Vorbild. „Wer geizige Eltern hat, lernt an diesem Modell und verinnerlicht diese Haltung“, sagt der Salzburger Professor Bucher.

Menschen mit wenig Geld sind oft großzügiger

In späteren Jahren hat offenbar auch die persönliche Finanzsituation Einfluss auf das Maß an Großzügigkeit: Psychologen der University of California in Berkeley stellten fest, dass ärmere Menschen deutlich mehr zu Spenden bereit waren als reichere. Die Auswertung der Steuererklärungen mitsamt Spendenbescheinigungen von US-Bürgern unter 35 Jahren bestätigte diese paradoxe Wechselwirkung zwischen Sozialstatus und Großzügigkeit.

Geiz hängt eng mit Habgier zusammen, bis ins 18. Jahrhundert wurden die beiden Begriffe sogar synonym verwendet. Heute interpretiert man die Habgier allgemein als das Bestreben eines Menschen, seinen Besitz ständig zu mehren, selbst wenn die lebenswichtigen Bedürfnisse schon mehr als befriedigt sind. Der Geiz dagegen bringt Menschen dazu, Dinge, die sie einmal besitzen, nie wieder loszulassen, „weil sie nicht anders können. Es ist ihnen ja meist nicht einmal bewusst“, sagt Professor Bucher, der Geiz als eine Art „erstarrte Habgier“ betrachtet.

Geizkragen sind unbeliebt

Geiz ist ein „kaltes“ Gefühl. Keiner mag es, aber es gilt allgemein als harmlos, wie der Experte in seiner Studie feststellte. „Eine grobe Unterschätzung“, sagt er, „denn Geiz birgt erhebliche Risiken.“ Etwa für die Volkswirtschaft, die an kollektiver Knickrigkeit zugrunde gehen würde, wenn niemand mehr Geld ausgäbe. Aber auch für den Geizkragen selbst: Er gilt als unsympathischer und ist dadurch vielleicht einsamer als andere.

In der Familie sorgt Geiz dafür, dass den Kindern schöne Eindrücke und Erfahrungen verwehrt bleiben: der Kindergeburtstag mit Freunden, der gemeinsame Ausflug, die kleine Überraschung zwischendurch. Mit Geld habe das nichts zu tun, betont Bucher. „Es geht darum zu geben.“

Leave a Reply