Psychologie: Gegner auf acht Beinen

Stuttgart - Das Monster seilt sich in Windeseile von der Zimmerdecke ab. Vielbeinig, haarig, unberechenbar. Schon bei der Vorstellung, auf diese Weise einer Spinne zu begegnen, rieselt vielen Menschen eine Gänsehaut über den Rücken. Die Reaktionen reichen dabei von milder Abneigung bis zu regelrechter Panik. Spinnen-Angst ist die wohl an weitesten verbreitete Tierphobie überhaupt. Woher aber kommt diese geballte Ablehnung? Warum trifft sie ausgerechnet die Spinnen? Und wieso zittern dem einen angesichts eines solchen Tieres die Knie, während der andere nur gelassen mit den Schultern zuckt?

Die Psychologen Georg Alpers und Antje Gerdes von der Universität Mannheim sind einem Phänomen nachgegangen, das viele Menschen aus dem Alltag kennen: Da zeigt der eine angeekelt auf eine Spinne, die ihm mindestens handgroß erscheint – und erntet wenig beeindruckte Kommentare wie „Das kleine Vieh!“ Auch frühere psychologische Studien haben schon Hinweise darauf gefunden, dass Spinnen-Angst eine Frage der Wahrnehmung sein könnte. So haben Michael Vasey und seine Kollegen von der Ohio State University betroffene Menschen gebeten, sich lebenden Vogelspinnen in einem offenen Terrarium zu nähern, diese mit einem Stäbchen zu berühren und Fragen zu ihrem Befinden zu beantworten. Anschließend sollten sie die Größe des jeweiligen Tieres schätzen.

Dabei zeigte sich ein deutlicher Trend: Je stärker ausgeprägt ihre Spinnen-Angst war, umso deutlicher überschätzten die Befragten die tatsächlichen Dimensionen ihres achtbeinigen Gegenübers. Allerdings machten die Teilnehmer ihre Größenangaben erst, als sie die Tiere schon nicht mehr vor Augen hatten. Deshalb konnten die Forscher bei dieser Versuchsanordnung nicht unterscheiden, ob die Spinne für die Betroffenen tatsächlich größer aussah oder ob sie erst in ihrer Erinnerung zum überdimensionalen Monster aufgeblasen wurde.

Die neue Studie von Georg Alpers und seinen Kollegen liefert nun aber zum ersten Mal einen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Angstpatienten die Welt tatsächlich anders sehen. Die Mannheimer Psychologen haben jeweils zwanzig Menschen mit und ohne Spinnenphobie einem speziellen Sehtest unterzogen. Dabei haben sie den Probanden auf das linke Auge ein anderes Bild projiziert als auf das rechte. Eins davon war eine geometrische Figur, das andere entweder eine Spinne oder eine Blume. Mit dieser Situation aber ist die menschliche Wahrnehmung überfordert: „Es ist nicht möglich, dauerhaft zwei verschiedene Bilder gleichzeitig wahrzunehmen“, erklärt Georg Alpers. „Sie stehen in einem Wettstreit, den das Gehirn entscheidet“. Kurzzeitig sieht der Mensch dann nur eines der beiden Bilder.

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