Psychologie: Einsamkeit macht Menschen krank

Psychologen unterscheiden zwei Formen von Einsamkeit: Die emotionale Einsamkeit zeigt sich, wenn ein enger Vertrauter fehlt, ein Partner, mit dem man sich eng verbunden fühlt. Die soziale Einsamkeit dagegen weist darauf hin, dass es grundsätzlich an sozialen Beziehungen mangelt, an Unterstützung durch Freunde, Nachbarn oder Kollegen. So erleben etwa Verwitwete weitaus häufiger als Verheiratete belastende emotionale Einsamkeit, jedoch seltener soziale Einsamkeit. Insgesamt fühlen sich zwei Prozent der Deutschen häufig einsam, wie eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab. Weitere 16 Prozent empfinden gelegentlich Einsamkeit. Andere Befragungen weisen darauf hin, dass junge Menschen sich eher allein fühlen als ältere und dies auch als quälender wahrnehmen.

In einer Umfrage des Deutschen Studentenwerks gaben vier Prozent der Studierenden an, so große Kontaktschwierigkeiten zu haben, dass sie Hilfe wünschen. Weitere elf Prozent verspüren depressive Verstimmungen, die oft auf das Gefühl von Einsamkeit zurückgehen. Womöglich hindert gerade die Angst vor Einsamkeit auch viele Abiturienten daran, die vertraute Umgebung für ein Studium zu verlassen. Denn je weiter eine Hochschule vom Ort der Jugendzeit entfernt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Bewerbung. Das zeigte jüngst eine Berechnung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW), für die Bewerbungen von 4535 Einser-Abiturienten ausgewertet wurden. Die Anwärter lockt weder die Exzellenz der Forschung ihrer künftigen Alma Mater noch die Bestnote in einer Rangliste. Weitaus wichtiger ist vielen Abiturienten, dass der künftige Studienort nicht weit von ihrer Heimat entfernt liegt.

Dabei erfüllt die Einsamkeit eine wichtige Funktion für den Menschen: So wie Hunger ein Signal ist, dass der Körper nicht genug Nahrung erhält, so warnt die Einsamkeit uns, wenn wir den Kontakt zu anderen verlieren. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen. In der Evolution des Homo sapiens war es für jedes Individuum überlebenswichtig, die Verbindung zur Horde zu erhalten. Isolation konnte leicht tödlich enden. Erst in der Gruppe gelang es unseren Vorfahren, sich auf Dauer zu behaupten – und die eigenen Gene an eine neue Generation weiterzugeben. Der US-amerikanische Psychologe John Cacioppo von der University of Chicago bezeichnet Einsamkeit daher auch als „sozialen Schmerz“. Und tatsächlich: Wenn wir von anderen abgewiesen werden, reagieren dieselben Regionen der Großhirnrinde hinter der Stirn wie bei körperlichem Schmerz. Das konnte ein Team von Wissenschaftlern aus den USA und Australien mithilfe von Hirnscannern nachweisen.

Das natürliche Verlangen nach Artgenossen kann Menschen so gefangen nehmen, dass sogar ihre geistigen Fähigkeiten darunter leiden: Einsame vermögen sich schlechter zu konzentrieren und suchen weniger hartnäckig nach der Lösung eines Problems als Nicht-Einsame, wie Cacioppo in Studien herausfand. Aber nicht die Psyche allein reagiert, wenn die Einsamkeit chronisch wird. Eine Analyse von 148 Studien mit Daten von 30.000 Probanden ergab: Menschen mit sozialem Rückhalt leben länger als jene mit weniger stabilen Beziehungen. Die Analyse deutete darauf hin, dass Einsamkeit für die Gesundheit etwa ebenso schädlich ist wie Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsmangel. Vor allem bei Männern wächst die Gefahr zu erkranken, wenn enge Bindungen fehlen.

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