Psychologie des Essens: Schuld am Frustessen sind verdrängte Gefühle

Schuld am Frustessen sind verdrängte Gefühle

Frustessen ist verbreitet: Ein Griff zur Schokolade und die Welt sieht gleich viel freundlicher aus. Doch schnell sammeln sich so die Pfunde an.

Essen aus Kummer: Schuld am Frustessen sind verdrängte Gefühle
Foto: picture alliance / dpa-tmn/dpa-tmn

Hamburg.
Trübes
Wetter
, miese Laune – da kommt der Griff zu Schokolade,
Burger oder Chips gerade recht. Nach dem Frustessen folgt aber meist das
schlechte Gewissen: Denn gesund sind diese Kalorienbomben bekanntlich nicht.
Dass man Heißhunger auf Karotten, Kohlrabi oder Äpfel entwickelt, ist
dagegen so gut wie ausgeschlossen. Die Natur hat die Menschen so
eingerichtet, dass sie sich instinktiv mit Zucker und Fett für schlechte
Zeiten mästen wollen.

Ein kleiner Trost: Frustesser sind nicht alleine. „Jeder hat die Veranlagung,
Langeweile oder Frustration kompensieren zu wollen“, sagt der Psychologe und
Psychotherapeut Michael Schellberg aus Hamburg. Das bedeutet jedoch nicht,
dass jeder im Schokorausch schwelgt. Zu den deutlichen schlimmeren
Alternativen zählen Alkohol und Rauchen.

Manche Menschen versuchen, durch Essen Gefühle wie Angst und Unsicherheit zu
dämpfen. Nahrung wird dadurch zum Beruhigungsmittel. „Es hungert nicht der
Körper, sondern die Seele“, bringt es Marai Sanchez, Heilpraktikerin für
Psychotherapie auf den Punkt. Sie gibt seit mehreren Jahren Seminare über
emotionales Essen und berichtet auch aus eigener Erfahrung. Lange Zeit war
sie essgestört, ging nach Essorgien sogar nachts joggen. Ihr Ausweg aus der
Misere: mehr auf den eigenen Körper hören, ihn achten und sich bewusst mit
dem Thema auseinandersetzen.

Das rät auch der Ernährungswissenschaftler Uwe Knop aus Hofheim bei Frankfurt
am Main. Sein Tipp: zunächst einmal spüren, wie sich echter körperlicher
Hunger überhaupt anfühlt. Dies hätten viele Menschen verlernt. „Er ist ganz
anders als ein seelischer Hunger“, sagt er. Wenn der Körper satt ist und
doch die Lust aufs Essen kommt, sollten nicht Schokolade und Chips folgen,
sondern die Frage: Was verdränge ich gerade mit dem Esssen? Ein weiteres
Indiz für Frustessen: Die Speise wird nicht langsam gegessen und genossen,
sondern hineingeschlungen.

Knop rät, sich abzulenken, bis der Heißhungeranfall vorbei ist. Das kann
Musik hören, ein Spaziergang oder wenigstens Hin- und Herlaufen im Büro
sein. Sanchez hat sogar spezielle Übungen entwickelt, die helfen sollen. Zum
Beispiel, dem Feind direkt ins Auge zu blicken. Dazu legt man das gewünschte
Lebensmittel geöffnet vor sich hin und achtet dann auf die körperlichen und
seelischen Reaktionen. Damit macht der Fast-Frustesser innerlich einen
Schritt zur Seite, beobachtet die Situation aus der Distanz und ist so
seinen Gefühlen nicht ausgeliefert. Irgendwann soll das Gefühl verschwinden,
jetzt unbedingt etwas essen zu müssen. Auf längere Sicht taucht es laut
Sanchez dann gar nicht mehr auf.

Schellberg hat noch weitere Rezepte parat. Dazu gehört, den Grund für die
Frustration herauszufinden und dann zu lernen, mit ihr umzugehen. Sport kann
dabei helfen. „Wer viel Sport macht, stellt automatisch seine Ernährung um“,
sagt der Psychotherapeut. „Dann fordert der Körper deutlich die Nährstoffe,
die er braucht.“

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Jeder dritte kommt im Beruf nicht zum regelmäßigen Essen+++

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mit Currywürsten an die Börse+++

Er hält ebenso wie die anderen Experten nichts davon, die geliebten
Nahrungsmittel zu verbieten. Zum Beispiel, sich keine Schokolade mehr zu
kaufen oder nie wieder Fast Food zu essen. Dies halte keiner lange durch und
ende meist darin, dass man noch mehr esse als vorher, erklärt er. Ein Verbot
macht also alles nur noch schlimmer. „Es geht nicht darum, nie wieder
Schokolade zu essen, sondern, nie wieder Schokolade aus Frust zu essen“,
sagt Schellberg.

Der Ernährungswissenschaftler Knop ist ohnehin der Meinung, dass die
Einteilung in gesunde und ungesunde Lebensmittel Blödsinn ist. Nur der
Körper wisse, was gut für ihn sei und sorge mit Lust auf spezielle
Lebensmittel selbst für eine ausgewogene Nahrung, vorausgesetzt, der Mensch
isst nur dann, wenn er wirklich Hunger hat. Denn vor lauter Diät, Kalorien
zählen und Ernährungsratschlägen kann schnell ein wichtiger Punkt vergessen
werden: Essen ist ein Genuss.

Info: Die Dosis ist entscheidend

Wer ab und zu bei Frust oder Stress zu Schokolade greift, braucht sich keine
Sorgen zu machen. „Die Dosis macht das Gift“, sagt der
Ernährungswissenschaftler Uwe Knop aus Hofheim. Wer jedoch öfters große
Mengen isst, bis ihm schlecht wird, sollte der Sache auf den Grund gehen. Am
besten wenden sich Betroffene dann an einen Psychotherapeuten.

(dpa/tmn)

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