Psychologie: Der Algorithmus der Liebe – Kölner Stadt




Für Singles auf Partnersuche ist es ein magischer Moment, wenn zum ersten Mal die Trefferliste auf dem Bildschirm erscheint. Zu sehen sind Vornamen und verpixelte Fotos potenzieller Tisch- und Bettgefährten. Daneben finden sich Informationen wie Alter, Beruf und die Zahl der Kilometer, die einen vom möglichen Traumpartner trennen. Außerdem liefert die Liste noch eine Zahl, die die Wahl des Zukünftigen erleichtern soll: den Übereinstimmungsgrad. Die Kunsthistorikerin Lisa, könnte es dann heißen, hat mit Ihnen eine Übereinstimmung - neudeutsch: Matching - in 91 von 100 Punkten, errechnet von einem Algorithmus, der Ihren und Lisas Persönlichkeitstest ausgewertet hat. 91 Prozent - beste Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung, sollte man meinen.

Ihre Beziehungs-Vorhersage-Tools bewerben Unternehmen wie Parship, eDarling, Partner.de oder ElitePartner offensiv. "Unser Matching hat nur ein Ziel: Menschen zusammenzubringen, die das Potenzial besitzen, miteinander glücklich zu werden - für eine lange Zeit", wirbt Deutschlands größte, kostenpflichtige Online-Partnersuche für ihr "Parship-Prinzip".

Versprechen sind heiße Werbeluft

Konkurrent eDarling.de ist nicht minder optimistisch: "Auf Basis der Faktoren-Ausprägungen zweier Nutzer lassen sich potenzielle Partner mit besonders guten Aussichten auf langfristigen Beziehungserfolg ermitteln", heißt es auf der Seite des Anbieters. Und ElitePartner schreibt über sich: "Mit ElitePartner lernen Sie nicht irgendwelche Singles kennen, sondern genau die, die besonders gut zu Ihnen passen. Dafür sorgt unser wissenschaftlicher Persönlichkeitstest, der auf Erkenntnissen der internationalen Beziehungsforschung basiert."

Für fünf renommierte Experten der internationalen Beziehungsforschung sind die Versprechungen auf "langfristigen Beziehungserfolg" der Online-Paarbörsen nichts als heiße Werbungsluft. Eli J. Finkel, Professor an der Northwestern University in Illinois, veröffentlichte gerade zusammen mit vier Kollegen vorab die Ergebnisse eines Forschungsüberblicks, der diesen Monat im US-Fachmagazin "Psychological Science" erscheint.

Algorithmen weniger wichtig als angenommen

"Es gibt wenig Grund zu glauben, dass Matching-Algorithmen von Partnersuche-Websites effektiv sind", schreiben Finkel und seine Koautoren dort. "Ein Hauptgrund ist, dass die Algorithmen auf Prinzipien wie Ähnlichkeit oder Gegensätzlichkeit aufgebaut sind, die für eine gute Beziehung weniger wichtig sind als vielfach angenommen." Daneben nennen die Forscher vor allem drei Gründe, warum die Persönlichkeitstests, die Partnerbörsen von ihren Nutzern bei der Anmeldung verlangen, keine zuverlässigen Matching-Voraussagen erlauben:

1. Die Algorithmen haben keine Daten darüber, wie zwei Menschen miteinander harmonieren.

"Unser Test besteht aus über 100 Fragen, die für eine Beziehung Relevanz haben", erklärt Sabrina Berndt von ElitePartner.de. Das Entscheidende jedoch können diese Tests nicht erfassen, schreiben nun Finkel und sein Koautor Benjamin Karney, Sozialpsychologe an der University of California, in der "New York Times": Wie zwei Menschen zum Beispiel miteinander streiten, gemeinsam Probleme lösen und sexuell harmonieren, könne man erst im Zusammenspiel erkennen.

"Wie zwei Menschen im Alltag miteinander umgehen, sagt viel mehr über ihre Beziehungsfähigkeit aus als ihre jeweiligen Charaktere und Wertvorstellungen." Studien haben gezeigt, dass etwa die Diskussionskultur zwischen zwei Partnern weitgehend verantwortlich dafür ist, wie zufrieden sie in ihrer Beziehung sind. Solch entscheidende Merkmale einer Paarbeziehung kann jedoch ein Persönlichkeitstest im Vorfeld nicht abbilden.

2. Die Tests fragen nicht nach schwierigen Lebenssituationen.

Arbeitslosigkeit, finanzielle Probleme oder Krankheiten können eine Partnerschaft schwer belasten. Laut Finkel und Karney zeigen viele Paarstudien, dass solche Stressfaktoren Beziehungsglück und Trennungsrisiko dramatisch beeinflussen. Nach schwierigen Lebenssituationen aber fragen die Tests von Online-Partnerbörsen nicht. Das wäre allerdings auch heikel: So haben Studien zufolge Menschen, die als Kinder misshandelt wurden, oft große Schwierigkeiten, als Erwachsene feste Bindungen einzugehen. Würde man emotional labile Menschen aus der Trefferliste entfernen, "könnte eine Partnersuche deutlich nützlicher werden", schreiben die US-Psychologen. "Allerdings nur für die glücklichen Singles, die dann noch in der Liste sind."

3. Die Algorithmen setzen zu stark auf Ähnlichkeit.

"Grob gesagt, setzen wir auf die These: Gleich und gleich gesellt sich gern", sagt Wiebke Neberich, Diplom-Psychologin der Online-Partnersuche eDarling.de. Fast alle Online-Partnersuchen gehen davon aus, dass Partner, die sich von der Persönlichkeitsstruktur her ähnlich sind, eine stabilere Beziehung führen können als solche, die sich unähnlich sind. Tatsächlich belegen laut Finkel und Karney viele Studien, dass Ähnlichkeit einen Einfluss auf die Haltbarkeit von Liebesbeziehungen haben kann - allerdings vor allem in Bezug auf Religion und ethnischer Zugehörigkeit. In anderen Bereichen fällt es indes weniger ins Gewicht, ob die Partner sich gleichen. Studien zufolge ist es zum Beispiel sogar besser, wenn nicht beide Partner gleich schüchtern sind. Einer Meta-Studie von 2008 zufolge, die 313 Untersuchungen zusammenfasst, hatte Ähnlichkeit in Bezug auf Charakterzüge wenig Einfluss auf das Gelingen von bereits geschlossenen Liebesbeziehungen, schreiben Finkel und Karney.

Auf diese Ergebnisse reagieren Anbieter wie ElitePartner erstaunlich entspannt. "Keine Online-Partnervermittlung hat bislang den empirisch-wissenschaftlichen Nachweis erbringen können, dass ihre Paare länger zusammenbleiben als Paare, die sich im Büro kennenlernen", erklärt Lisa Fischbach, Psychologin bei ElitePartner. Zudem könne ein Algorithmus - auch wenn die Nutzer alle Fragen des Persönlichkeitstests ehrlich beantwortet hätten - nichts aussagen über die Biochemie der Liebe: "Kann man sich riechen? Mag man den Humor? Das sind schlagende Argumente bei der Partnerwahl, und darüber kann ein Online-Profil wenig aussagen." Deshalb rät sie zu einem schnellen Treffen.

Trotz aller Schwächen hält Fischbach aber die Suche nach dem Ähnlichkeitsprinzip – auf der viele Matching-Algorithmen beruhen – für die bislang „einzig nachgewiesene Einflussgröße zur Erhöhung der Paarzufriedenheit“. Für Anbieter ist ein „Übereinstimmungsgrad“ eine gute Möglichkeit, ihren zahlenden Kunden einen Zusatzservice zu bieten. Allerdings sollten Singles die Zahlen nicht überbewerten. „Wir sagen nicht, dass Online-Dating eine schlechtere Methode zur Partnersuche ist als ein Treffen in der Bar“, schreiben Finkel und Karney. "Aber auch keine bessere."

Eine Auswahl an Online-Paarbörsen:

www.paarship.de

www.edarling.de

www.partner.de

www.elitepartner.de

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