Psychologie: Abheben ohne Panik

Psychologie Abheben ohne Panik

Viele Passagiere leiden unter Flugangst – woran das häufig liegt und was sich am besten dagegen tun lässt

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28.12.14, 01:25

Psychologie

Viele Passagiere leiden unter Flugangst – woran das häufig liegt und was sich am besten dagegen tun lässt

Thomas Schulz arbeitet als Notarzt im Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin. In seiner Freizeit ist der Internist und Kardiologe Privatpilot und fliegt Gleitschirm und kleine Flugzeuge. Früher bekam er schon bei dem Gedanken daran Herzrasen und feuchte Hände. Der Hobbypilot litt unter Flugangst.

Egal, ob Gelegenheits- oder Vielflieger: Jeder Dritte leidet nach Angaben des Instituts für Demoskopie Allensbach unter einer Aviophobie, wie die Angst vorm Fliegen in der Fachsprache heißt. Oder sitzt zumindest mit einem mulmigen Gefühl im Flieger. Dabei zählt das Flugzeug zu den sichersten Verkehrsmitteln. Jedes Jahr sterben weitaus mehr Menschen im Straßen- als im Luftverkehr. Weshalb also wird der Traum vom Fliegen für manche zum Albtraum? Flugangst gehört zur Gruppe der spezifischen Phobien. Davon spricht man, wenn die Angst nur in spezifischen Situationen – etwa im Flugzeug – auftritt. Stress führt zu einer Überaktivierung des Nervensystems und Schweißausbrüchen, feuchten Händen, Atemnot, Übelkeit, Nervosität bis hin zu Panikattacken. Aber auch negative Gedanken kommen auf wie: "Wo kommen denn die Geräusche her? Da muss etwas kaputt sein."

"Angst ist ein Informationsdefizit. Es ist die Ungewissheit dessen, was passieren könnte", sagt Thomas Schulz. "Flugangst kann man theoretisch und in den meisten Fällen auch praktisch bekämpfen, indem man sich mit dem Thema Fliegen auseinandersetzt und Informationsdefizite beseitigt." "Wer die Angst bewältigen will, muss sich ihr stellen und nach psychologischer Vorbereitung tatsächlich fliegen", sagt Andreas Mühlberger, Professor für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Dabei muss man aber erst die Ursachen von Flugangst kennen. Und die seien vielfältig, sagt Karin Bonner. Die Psychologin leitet seit 2001 "Seminare für entspanntes Fliegen" bei Lufthansa. Bonner weiß: "Flugangst entsteht durch ein dramatisch eingestuftes Flugerlebnis, das eventuell objektiv betrachtet völlig undramatisch ist", sagt die Expertin.

Beim Flug für Abwechslung sorgen

Das sind häufig Turbulenzen, aber auch die räumliche Enge. Höhenangst und Kontrollverlust können ebenfalls Ursachen sein. Wichtig ist es, die Flugreise ohne Stress zu beginnen und auf dem Flug für Ablenkung zu sorgen – durch Gespräche mit den Sitznachbarn, ein Buch oder Musik. Und was ist mit einem Wein oder Beruhigungspillen? Besser die Finger davon lassen, rät Bonner. Beides bekämpft nicht die Ursache der Phobie. Alkohol und Tabletten helfen nicht verlässlich, weil jeder anders darauf reagiert, und es kann zu einer Toleranzentwicklung kommen. Das bedeutet: Man braucht stetig mehr, um den gleichen Effekt zu erzielen.

Sich dem Bordpersonal mit seiner Angst mitzuteilen, kann ebenfalls helfen. So können sich Flugbegleiter besonders um den Passagier kümmern. Wenn Entspannungsmethoden nicht ausreichen, empfehlen Experten Flugangstseminare. Psychologin Bonner erklärt darin, wie ein Flugzeug funktioniert, warum es überhaupt abheben kann und warum Turbulenzen im Sinkflug zum Beispiel ganz normal sind. Aber auch, was die Angst auslösen kann und wie Passagiere damit klarkommen. Am Ende steht meist ein gemeinsamer Testflug an. "Der Passagier, der mitsteuern möchte, bevorzugt den Fensterplatz, der Gast mit Panikattacken den Gangplatz", sagt Seminarleiterin Bonner. "Fakt ist, dass es in der Mitte etwas weniger wackelt, da dort der Schwerpunkt des Flugzeugs liegt."

Bonner gibt auch den Tipp, sich selbst konkret zu fragen, wovor man beim Fliegen Angst hat. "Häufig ist es nicht der gesamte Flug, sondern nur ein Teilbereich wie Start und Turbulenzen." Sie rät, über diesen Bereich realistisches Wissen in kurzen Sätzen auf Karteikarten zu notieren und sich diese vor, aber auch während des Fluges immer wieder vor Augen zu führen. Wer sich seiner Flugangst stelle, werde sie letztlich auch verlieren.

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