Prioritäten setzen statt Multitasking

Auch für das Gehirn gilt: Eins nach dem anderen

Denn das Gehirn legt, wenn es die erste Aufgabe für die Bearbeitung der zweiten unterbricht, wichtige "Gedächtnisstützen" in einem Zwischenspeicher ab, aus dem es sie, sobald die zweite Aufgabe erledigt ist, wieder hervorholt. "Wer seine 'Multitaskingfähigkeit' trainiert, tut nichts anderes, als die Geschwindigkeit dieser Signalübertragung in den betreffenden Gedächtnis- und Verarbeitungszentren zu steigern", erläutert Bergmann. Er schafft es damit schneller, zwischen verschiedenen Arbeitsbereichen hin- und herzuwechseln.

Routine hilft beim Multitasking

Am besten klappt das, wenn mindestens eine der gleichzeitig erledigten Aufgaben weitgehend automatisiert ist. So kann sich eine routinierte Autofahrerin auf einer vertrauten Strecke mit einem Beifahrer auch über komplizierte Themen unterhalten. Im Gegensatz zu jemandem, der gerade erst den Führerschein gemacht hat und die Strecke nicht kennt. Ihm würde das Autofahren höchste Konzentration abverlangen, so dass er sich nicht auch noch auf eine anspruchsvolle Unterhaltung konzentrieren könnte.

Multitasking ist anstrengend fürs Gehirn

Das Hin und Her zwischen verschiedenen Aufgaben ist nämlich nicht reibungslos zu haben, berichtet Thomas Rigotti, Professor für Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. "Jede Umstellung von einer komplexen geistigen Tätigkeit zu einer anderen kostet das Gehirn Energie. Wer öfter hin und her wechselt, ermüdet schneller als jemand, der erst eine Aufgabe erledigt und anschließend die nächste."

Etliche Studien hätten gezeigt, dass es am Arbeitsplatz und auch im privaten Bereich effektiver sei, von der persönlichen "To-do-Liste" einen Punkt nach dem anderen abzuarbeiten, berichtet der Experte des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. "Kurzfristig scheint Multitasking zwar manchmal effektiver. Mittel- und langfristig aber lohnt es sich definitiv nicht, weil es zu Erschöpfung, Konzentrationsschwächen und Fehlern führt."   

Gesundheitsprobleme durch dauerhafte Erschöpfung

Spätestens hier gefährden hartnäckige Multitasker ihre Gesundheit, warnt Rigotti. Wissenschaftliche Studien belegten, dass Menschen, die am Arbeitsplatz regelmäßig "mit sechs Händen und drei Köpfen" arbeiteten, auf Dauer erschöpfter und gereizter seien und abends kaum zur Ruhe kämen.

"Das kann sich mit der Zeit aufschaukeln und psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Magen-Darm-Probleme, Rücken- oder Kopfschmerzen begünstigen." Meist sei dann allerdings nicht allein das Multitasking für die Gesundheitsprobleme verantwortlich, sondern weitere Faktoren wie Zeit- und Leistungsdruck oder wenig Erholung. Und natürlich können hinter den genannten Symptomen auch körperliche Ursachen stecken. Das sollte der Arzt abklären.

Multitasking: Frauen sind nicht besser, nur geübter

Frauen – die Königinnen des Multitaskings? Anders als viele meinen, sind Männer und Frauen aus biologischer Sicht fürs Multitasking gleichermaßen (un)geeignet, betont Neurologe Frank Bergmann. "Beide Geschlechter stoßen an die gleichen Grenzen, wenn sie sich mehreren anspruchsvollen Aufgaben zugleich widmen möchten."

Familie, Haushalt, Beruf: Frauen müssen häufig viele verschiedene Aufgaben unter einen Hut bringen und sind daher oft geübter im Multitasking als so mancher Mann. "Aber wie gut Multitasking funktioniert, liegt vor allem an der Art der Arbeiten und nicht am Geschlecht der Person, die sie ausführt."

Prioritäten setzen mindert Alltagsstress

Als Quintessenz legt Dr. Bergmann gestressten Frauen und Männern ein gutes Zeitmanagement ans Herz: "Wer klare Prioritäten setzt, welche Aufgaben als erstes erledigt werden sollten und welche noch etwas warten können, und wer den (Arbeits-)Alltag entsprechend organisiert, der baut persönlichen Stress nachhaltiger ab als jeder Multitasker."

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