Plantschen im Sommerloch

Von Arne Gottschalck

Der Sommer regiert die Börse und den Strand - mit gleichermaßen träge schwappendem Handel und müden Bewegungen. Und doch täuscht der Frieden. Denn alle warten nur darauf, dass jemand laut "Hai" ruft.


Hamburg - Auch an der Börse hat der Sommer Einzug gehalten. Der Handel dümpelt vor sich hin, die Menschen wirken entspannt. Doch die Gesetze der Psychologie gelten weiterhin, trotz des flirrenden Sonnenscheins. Und so wirkt es, als könnten sich die Anleger nicht recht entscheiden zwischen Schwimmen und Liegestuhl. Sie sind verunsichert.

Die Privatanleger sowieso; eine große Rolle hatten sie hierzulande nie gespielt. Deutschland, das Land der Aktienmuffel, schrieb zuletzt zum Beispiel die Comdirect in ihrer aktuellen Bestandsaufnahme "Factbook Aktie". Aber auch Profiinvestoren blicken angespannt um sich. "Die Stimmung ist erstaunlich nervös", sagt Conrad Mattern, Vorstand von Conquest Investment Advisory. "Kaum sagt Bernanke, er überlege, die Politik der Fed etwas einzubremsen, reagieren die Märkte panisch - und kaum dementiert er das, ist wieder alles in Ordnung." Ein weiteres Beispiel lieferte der vergangene Mittwoch, an dem Bernanke erklärte, die Krisenpolitik fortsetzen zu wollen. Prompt stiegen die Börsenkurse.

Der Anleger, das manisch-depressive Wesen? Ganz offenkundig ja. "Das liegt eben am 'attention bias'", begründet Mattern. Die Investoren konzentrieren sich allein auf die Politik der Notenbanken. Konjunkturdaten oder auch das Umfeld werden ausgeblendet. Das ist gefährlich." Denn so können, quasi im Rücken der Investoren, Unterströmungen unbeachtet bleiben. Denn gerade in der handelsarmen Sommerferienzeit kann ein kleines Ereignis große Wellen schlagen.

"Wenn in so einer urlaubsbedingt handelsarmen Zeit wie im Sommer etwas passiert, hat das erhebliche Folgen", sagt Mattern. "Denn dann trifft die Nachricht auf einen geringen Umsatz. Das ist historisch gesehen oftmals im August der Fall." Änderte also einer der großen Zentralbanken seine Politik zu schnell weg vom Krisenmodus, "der Dax würde auf 5000 Punkte stürzen", so Mattern. Doch auch an anderer Stelle zeigt sich die oftmals unterschätzte Macht der Psychologie.

Der so genannte Dispositionseffekt lässt die Privatanleger seit Jahr und Tag der Börse fern bleiben. Verluste werden eben stärker wahrgenommen als Gewinne. Und so kennen die meisten den Dax zwar als Außenstehender, nicht aber als Investor. Denn die Verluste mit Tech-Fonds und der T-Aktie wirken nach. "Trotz aller Bekanntheit und Beliebtheit des Dax sind die Deutschen kein Volk von Aktionären geworden", schreibt das Deutsche Aktieninstitut (DAI) anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des deutschen Vorzeigeindex Anfang Juli. "Zwar ist die Zahl der direkten Aktionäre von 1988 von 3,2 auf 4,5 Millionen im Jahr 2012 gestiegen. Das sind trotzdem nur 7 Prozent der Bevölkerung. Auch mit der indirekten Anlage über Aktienfonds werden es nur 14,7 Prozent. Zudem liegt der Anteil der Aktie am Geldvermögen nach wie vor bei nur rund 6 bis 7 Prozent."

In der Summe also dominiert die Skepsis den Sommer. "Ob Aktien von den rekordtiefen Zinsen weiterhin profitieren können, erscheint () fraglich", sinnt zum Beispiel Michael Winkler in einem Rundbrief. Winkler ist Chief Investment Officer der St. Galler Kantonalbank Deutschland. Auf der anderen Seite - wo sind die Alternativen? Staatsanleihen bieten nach Inflation vielfach nur eine Negativverzinsung. Rohstoffe wie Gold und Silber haben 2013 erheblich an Glanz eingebüßt. Es bleibt also bei der einen Frage - Aktien oder keine Aktien.

Viele Investoren beantworten sie derzeit für sich mit "ein bisschen Aktien", stehen quasi im hüfttiefen Wasser und bewegen sich gerade so viel, dass sich das nicht ändert. Dort warten sie - auf die Zentralbanken, aber auch "die Berichtssaison in den USA ab", so Banker Winkler. Und versäumen damit die Chance, sich von der Flut respektive Kurssteigerungen nach oben tragen zu lassen. Denn die könnte weiter steigen, obwohl der Dax bei über 8200 Punkten notiert und damit schon nicht mehr weit entfernt vom Höchststand. Gerade die bislang noch zaudernden Investoren könnten das ermöglichen, indem ihre Nachfrage die Kurse weiter nach oben treibt. Bis Fed Co die Politik ändern - jemand laut "Hai" ruft und alle aus dem Wasser rennen. Denn gebissen werden kann man auch im stehtiefen Wasser.

Quelle: manager-magazin

http://www.manager-magazin.de/finanzen/boerse/sommer-laesst-boersenkurse-duempeln-die-angst-bleibt-a-911766.html

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