«Nein, an Ebola dachten wir damals nicht»



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«Nein, an Ebola dachten wir damals nicht»

Von Franziska Laur.
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Es war 1994, als der Basler Arzt Christoph Hatz den ersten Ebola-Fall in Europa eng begleitete. Im Interview sagt er, was passierte, wie der Fall verlief und was heute anders ist.

Gerüstet für den Notfall. Das Universitätsspital Basel kann heute Ebola-Patienten isolieren und hat eine Taskforce, zu der ein Fachmann für Infektionsprävention gehört. In erster Linie kommen potenziell Infizierte aber nach Genf.

Gerüstet für den Notfall. Das Universitätsspital Basel kann heute Ebola-Patienten isolieren und hat eine Taskforce, zu der ein Fachmann für Infektionsprävention gehört. In erster Linie kommen potenziell Infizierte aber nach Genf.
Bild: Pino Covino

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Die Ebola-Notfallzimmer in Basel


Die Ebola-Notfallzimmer in Basel
Das Universitätsspital Basel hält zwei Isolationszimmer für Infektionskranke bereit.

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Der Basler Christoph Hatz (62) ist heute Leiter der Abteilung Epidemiologie und Prävention übertragbarer Krankheiten an der Universität Zürich und Mitglied der Taskforce, die sich auf eine allfällige Ebola-Epidemie in der Schweiz vorbereitet. Im Jahr 1994 arbeitete er am Tropeninstitut Basel und hat den damals ersten und einzigen Ebola-Fall in Europa mitbehandelt. Eine Baslerin hatte sich mit dem Ebola-Virus infiziert. Sie war mit einer Wissenschaftler-Gruppe an der Elfenbeinküste unterwegs, die versuchte herauszu­finden, weshalb eine grössere Gruppe Schimpansen eines unnatürlichen Todes gestorben sind.

Acht Tage nach dieser Obduktion bekam sie Fieber. Nachdem eine Malaria-Behandlung nicht angeschlagen hatte und Durchfall, Erbrechen sowie Hautausschlag hinzugekommen waren, flog die Rega sie nach Basel. Wochen später erhielt das Unispital das Resultat der Gewebe- und Blutproben. Die Diagnose schreckte die Fachwelt auf. Es war Ebola in einer neuen, bis dahin nicht bekannten Unterart, die EBO-CI genannt wurde.

In welchem Zustand ist die Erkrankte damals zu Ihnen gekommen?
Nachdem sie bei der Obduktion eines verstorbenen Schimpansen im Taï-Nationalpark im Südwesten der Elfenbeinküste geholfen hat und an Fieber erkrankt ist, konnte man relativ bald eine Malaria aus­schliessen. Man hat sie dann auch antibiotisch behandelt, doch ihr Zustand besserte sich nicht. Die Patientin fühlte sich schlecht, weshalb sie schliesslich nach Basel geflogen wurde.

Ahnten Sie damals, dass es Ebola sein könnte?
Nein, daran dachten wir nicht. Natürlich war uns Ebola gut bekannt. Doch bis anhin war die Seuche lediglich im Dreieck zwischen der Demokratischen Republik Kongo, Uganda und Sudan aufgetaucht. Von dieser Region ist die Elfenbeinküste Tausende Kilometer entfernt und wir dachten eher an einen Fall von Lassa-Fieber. Wir vermuteten jedoch, dass es sich um ein bisher unbekanntes Virus handeln könnte, das bei der Obduktion des Schimpansen übertragen wurde.

Wie wurde die Frau in Basel behandelt?
Damals war bereits ein Isolations-Zimmer mit Unterdruck verfügbar. Ich weiss noch, innert wenigen Stunden mussten wir es fertig ausstatten. Die Frau wurde vom Flugzeug aus direkt in dieses Zimmer gebracht. Es galt zu vermeiden, sie über die Notfallstation aufzunehmen, da dies eine mögliche Ansteckungsgefahr für Personal und andere Patienten hätte darstellen können. Sie wurde dann symp­tomatisch behandelt und der Flüssigkeitshaushalt stabilisiert. Schon bald war sie fieberfrei und die Genesung schritt voran. Wir haben Glück gehabt, dass die Erkrankung nicht mit schweren Symptomen einherging.

Wie haben Sie reagiert, nachdem Sie erfahren haben, dass die Patientin eine Ebola-Infektion hatte?
Als wir die Diagnose erhielten, boten wir alle 72 Leute auf, die zwischen der Obduktion des Schimpansen und der Genesung der Patientin in irgendeiner Form mit ihr direkten Kontakt hatten. Bei keiner dieser Personen, weder an der Elfenbeinküste noch hier in Basel, hat man Abwehrkörper gefunden, die darauf hingewiesen hätten, dass diese Personen Kontakt mit dem Virus gehabt hätten.

Wie beurteilen Sie den Verlauf der Krankheit damals im Vergleich mit demjenigen der aktuellen Epidemie?
Es war ein relativ glimpflicher, fast harmloser Verlauf. Die Patientin war zwar krank, sie hatte Fieber, Durchfall und einen Ausschlag, doch ge­­blutet hat sie nie, und Angst, dass sie sterben würde, hatten wir zu keinem Zeitpunkt.

War das Vorgehen damals aus heutiger Sicht richtig?
Heute sind wir natürlich ganz anders vorbereitet nach all den Meldungen, die wir aus Amerika, Spanien und anderen Orten gehört haben. Doch hätte man heute einen ähnlichen Verdachtsfall, der bereits im Herkunftsland als verdächtig eingestuft wird, so käme er nicht nach Basel, sondern nach Genf. Das wurde vom Bundesamt für Gesundheit zu Recht so bestimmt, da in Genf auch die nötige Diagnostik möglich ist. Falls doch ein Patient kommt, der nicht diesen Regeln entspricht, wissen wir, wie wir ihn isolieren können, und sind zuversichtlich, dass das gut klappt.

Wer sind wir?
Das ist das Team um die Professoren Andreas Widmer und Manuel Battegay von der Infektiologie und Spitalhygiene sowie Monika Gisin von der Pflege am Universitätsspital Basel. Ich bin als Tropeninstitut-Mitarbeiter bei dieser Taskforce auch dabei. Wir haben auch eine hervorragende Zusammenarbeit in Bezug auf die Pflege und den Sicherheitsdienst.

Sie sprachen davon, dass man damals im Fall dieser Baslerin Glück gehabt hat. War es ein harmloseres Virus?
Es war tatsächlich ein anderer Typ, er gehört jedoch in dieselbe Gruppe. Beide haben gemeinsam, dass sie verwandt sind mit dem Subtyp Zaïre, der in der Demokratischen Republik Kongo immer wieder Ausbrüche verursacht hat. Auch dieses Virus ändert sich natürlich. Die sieben Ausbrüche, die wir bis jetzt hatten, wurden nie vom genau gleichen Typ verursacht, denn das Virus mutiert. Aber alle gehören zu einem Stamm. Sie fragen allerdings zu Recht, weshalb der Basler Fall im Vergleich zu den anderen relativ harmlos verlief. Diese Frage kann ich nicht beantworten.

Gemäss dem Krankheitsverlauf scheint dieses Virus trotzdem weniger aggressiv gewesen zu sein?
Das würde ich nicht sagen, denn es sind ja immerhin rund 20 Schimpansen daran gestorben. Es war also sehr aggressiv, aber das war es offensichtlich nicht für den Menschen. Daraus lernt man auch, dass nicht jedes Virus für den Menschen gleich gefährlich ist. Doch es gibt auch den umgekehrten Fall. Das aktuell grassierende Virus könnte für Tiere weniger gefährlich sein als für Menschen. Was da genau dahintersteckt, ist Aufgabe der Genforschung.

Was beunruhigt Sie am meisten am aktuellen Ausbruch der Seuche?
Was mich wirklich irritiert, ist die Frage, wie das Virus von seinem Ursprungsort Kongo und Sudan in abgeänderter Form nach Westafrika gekommen ist. Das sind doch riesige Distanzen. Das hat bis jetzt noch niemand beantworten können.

Bei der Basler Patientin hat man das Virus diagnostizieren können. Hat man auch die damals gestorbenen Affen untersucht?
Die meisten Affen, die man gefunden hat, waren schon verwest. Die anderen Proben, die man genommen hat, waren nicht optimal konserviert worden und daher unbrauchbar. Daher ist das Virus damals bei den Affen nicht diagnostiziert worden. Doch als sicher gilt, dass das Virus vom Schimpansen auf die Frau übertragen wurde.

Ist Basel genügend gerüstet, falls sich trotzdem mal ein Patient mit unklaren Krankheitszeichen hierher verirrt?
Wir schauen stets, wo Schwachstellen sind und wo man sich verbessern kann. Ich würde sagen, wenn man das Personal hat, das weiss, worum es geht, kann nach menschlichem Ermessen nichts passieren. Aber null Risiko haben wir nicht.

Ist in den gut ausgerüsteten Industrienationen die Sterbequote der Erkrankten niedriger als bei denjenigen in Afrika?
Da müssen wir schauen, welche Fälle wir hatten und haben. Der Spanier, der gestorben ist, war ein älterer Herr. Da spielte sicher auch das Alter eine Rolle. Bei einem anderen Fall in Amerika gab es auch besondere Umstände. Wir können uns nicht anmassen zu sagen, in Europa, Amerika oder Australien ist die Sterblichkeit tiefer. Ich habe zwar das Gefühl, dass das stimmt, doch wir können das nicht belegen. Dafür haben wir zu wenig Fälle, und wir haben eine Auswahl von Patienten, die nicht dem Durchschnitt entspricht. (Basler Zeitung)

Erstellt: 22.10.2014, 10:54 Uhr


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