Narzissten: Die Seelen-Terroristen!

Von Psychologie aktuell Autor Dr. Hubert Steinberg.

Es ist immer heikel, Menschen in charakterliche Schubladen zu stecken. Das gilt auch für Narzissten. Und doch müssen wir über sie sprechen, denn in seiner extremen Ausprägung ist der Narzissmus brandgefährlich für das soziale Umfeld des Selbstverliebten. Denn genau das meint „Narzissmus".

Narziss ist ein Name und zwar eines Jünglings in einer griechischen Sage. Dieser junge Mann hatte sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt. Narzissmus ist also eine Mischung aus Selbstverliebtheit, Selbstbewunderung aber beinhaltet natürlich im Gegenzug auch das Unvermögen, andere Menschen in ihrem So-sein wahrzunehmen.

Grandios, oder?

Ein gewaltiger Drang nach Ruhm oder Erfolg kennzeichnen die Definition der „narzisstischen Wesensart". Gemeint sind Menschen, die höchsten Wert darauf legen, von ihrer Umwelt als überlegen, makellos, ja sogar grandios wahrgenommen zu werden. Sie können sehr charmant sein, aber sind gnadenlos schlechte Zuhörer, auch wenn sie die Rolle des Empathen gut simulieren können.

Viel lieber reden sie über sich selbst, ihren „großartigen" Ideen und ihre „ungewöhnlichen" Erfolge. Logischerweise bringen sie all dem, was andere Menschen zu sagen haben, wenig oder gar kein echtes Interesse entgegen. Wer in den Chor der Bewunderer nicht einstimmt, der wird mit Verachtung gestraft. So wirken Narzissten recht bald arrogant, überheblich oder kalt, wenn erst einmal die Maske gefallen ist.

"Das Großartige liegt offenbar im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs. Das Ich verweigert es, sich durch die Geschehnisse in der Realität kränken zu lassen, es weigert sich zum Leiden genötigt zu werden, es beharrt dabei, daß ihm die Traumen der Außenwelt nicht nahegehen können."

Prof. Dr. Sigmund Freud

Riesige Hülle und innen nur Luft!

Narzissten sind jedoch, ganz im Gegensatz zu ihrem Außenbild, seelisch unsichere Menschen und können sich deshalb eigentlich gar nicht emotional wahrhaft öffnen. Andere Menschen werden stattdessen als Bedrohung erlebt, vor denen die eigene Maske fallen könnte. Sie sind im Auge des Narzissten Konkurrenten und eine Bedrohung, die jeden Moment die eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen aufdecken könnte. Man hat es beim Narzissmus daher mit seelisch labilen Individuen zu tun, die besonders schnell überempfindlich und gekränkt reagieren.

Sogar sehr starke feindselige bis racheartige Affekte können sich in Folge einer solchen „Kränkung" ergeben. Manchmal genügt dafür schon, das Grandiositätsbild des Narzissten von sich selbst nicht zu teilen. Fast automatisch ergibt sich daraus, dass extreme Narzissten völlig unfähig sind, einem anderen ernsthaft zu verzeihen. Auch die Erwartung von empathischer Hilfe in der Not muss man sich in Bezug auf Narzissten abschminken, stattdessen erhält man eine doppelte Portion „Nachtragen von Verfehlungen".

Andere Menschen? Alles Werkzeuge!

Andere Menschen werden vom Narzissten nicht als eigenständige Individuen mit eigenen Sichtweisen und Gefühlen wahrgenommen, sondern nur als Werkzeuge zur Selbstregulation. Wenn beispielsweise eine narzisstische Mutter ihr Kind wahrnimmt, so sieht sie seine Eigenschaften, aber nie das Kind an sich.

Narzissten verbringen aufgrund ihrer seelisch labilen Struktur viel Zeit damit, ein psychisches „Exoskelett" zu erschaffen, also Dinge im Außen, die ihre brüchige Identität künstlich zusammenhalten. Sie müssen das Bild, das sie von sich haben, ständig aufs Neue aufrechterhalten. Alle Situation, in der diese Fassade wegbröckeln könnte, vermeiden sie um jeden Preis und zu allen Kosten. Oft geschieht dies sogar unbewusst, ohne dass der Narzisst sich dessen selbst bewusst ist.

Ewige Kleinkinder?

Menschen mit dieser Störung haben es - so hart es klingt - nie geschafft, die emotionale Reife eines Erwachsenen zu erreichen. Durch die Erschaffung eines überdimensionalen Super-Ichs kompensieren sie dieses Manko scheinbar weg. Natürlich sehen Narzissten sich selbst auch als frei von Unzulänglichkeiten. Geschehen Fehler muss deren Grund bei anderen Menschen liegen.

So werden besonders jene labilen Seiten, die der Narzisst verbergen möchte, unbewusst nach außen auf andere Menschen projiziert. Im Klartext heißt das: In einer sozialen Beziehung mit einem Narzissten ist man immer selbst an allem schuld. Ja sogar noch schlimmer: man ist, was der Narzisst aus einem macht, denn er beansprucht wie selbstverständlich die Definitionsmacht über andere Menschen.

Seelische Katastrophen sind fast unvermeidlich!

Für die engere Familie und sogar für ganze Familiensysteme kann das Leben mit einer narzisstischen Mutter oder einem ebensolchen Vater eine grausame Erfahrung sein. Da sich die Narzissten - aufgrund ihres bissig verteidigten „Perfektseins" - nicht selbst in Therapie begeben (außer um z.B. den Therapeuten der Kinder im Sinne des eigenen Machterhalts zu manipulieren), bleibt den Angehörigen nichts anderes übrig, als sich selbst in Psychotherapie zu begeben. Das ist die einzige Chance, dem Drama des Extremnarzissmus zu entkommen.

Dabei muss man jedoch sehr darauf achten, dass der mutmaßliche Narzisst niemals in Kontakt mit dem Therapeuten kommt. Der dem Narzissten innewohnende Reflex der Manipulation anderer setzt schon beim ersten, kurzen Kontakt ein. Die Therapie der Angehörigen gerät also in akute Gefahr, wenn es einen Kontakt zwischen dem Narzissten und dem Therapeuten seiner Opfer gibt, und sei er auch noch so scheinbar banal.

Mögen alle Narzissten einsichtig werden und alle ihre Opfer Kraft und Stärke bewahren.

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