Münchhausen-Syndrom: Wenn kranke Mütter ihre Kinder totquälen!

Von Psychologie aktuell Chefredakteurin Roswitha Müller-Schenkenbrink.

Mütter und Väter, die ihre Kinder absichtlich krank machen? Eltern, die Knochen brechen, Dreckwasser injizieren oder vergammelte Nahrungsmittel benutzen, um ihre Kinder zu vergiften? Was wie ein Plot aus einem Stephen King Buch klingt, ist traurige Realität. Es gibt Menschen, die so etwas tun.

Das Grauen hat einen Namen!

Wahrscheinlich eine der irrsinnigsten Krankheiten der Welt hat auch einen Namen: Münchausen by Proxy oder Münchhausen Stellvertreter Syndrom. Schon am Namen erkennt man, es geht um Lügen, aber leider auch um weit mehr.

Es dreht sich in milden Fällen um das Erfinden oder Übertreiben tatsächlicher Krankheiten des eigenen Kindes - doch in schweren Fällen machen die Eltern die Kinder erst selbst krank. Es handelt sich um eine der schrecklichsten und gleichzeitig am schwersten aufzuspürenden Formen der Kindesmisshandlung, die bis zum Tod des Opfers führen kann.

Denn wer würde auf die Idee kommen, eine liebevoll besorgte Mutter könne die Quelle des Übels sein?

Die Beichten sind oft nur schwer zu ertragen!

Im SPIEGEL berichtet eine solche Mutter: "Meine Tochter war noch nicht ganz zwei Jahre alt, da habe ich es das erste Mal getan. Ich habe meine Tochter krank gemacht."

Mehr als fünfzig mal gab sie ihrer Tochter Medikamente, die schwerste Krämpfe oder Bewusstseinsausfälle auslösten. Medikamente, die das Kind bis auf die Intensivstation brachten.

Einfach nur schockierend!

"Offen gesagt weiß ich nicht, ob meine Tochter je einen Krampfanfall ohne mein Zutun hatte. Es war alles paradox, grotesk, schräg, verrückt." Als die Tochter etwa fünf war, so berichtet der Reporterin Annette Langer weiter, verspürte die Frau den Wunsch nach weiterem Nachwuchs.

"Ich wollte unbedingt ein schwerstbehindertes Kind zur Welt bringen, ein Kind zum Beispiel mit Down-Syndrom, mit Trisomie 21, hätte mir nicht gereicht. Ich wollte ein Kind mit ganz schwerer Behinderung, zum Beispiel mit einer Tetra-Spastik, spastischen Lähmung aller vier Extremitäten".

Der helle Wahnsinn!

Die Täter sind zu 98% Frauen, zu 90% die leiblichen Mütter der Opfer, der Rest entfällt auf Pflege- oder Stiefmütter bzw. Omas.

Ausgerechnet diese Täterinnen fallen meist als "gute" und sehr besorgte Mütter auf, die für ihre Kinder angeblich nur das Allerbeste wollen. Meist sind sie medizinisch gut belesen und werden daher auch ernst genommen.

Es beginnt manchmal schon im Mutterleib!

Manche Mütter setzen schon ihr ungeborene Kind ständigen Untersuchungen aus, indem sie andauernd Untersuchungen fordern und hierfür durchaus auch sehr geschickt Komplikationen der Schwangerschaft fabrizieren. Dieses Muster setzt sich in mannigfachen Spielarten fort und direkt nach der Geburt beginnt ein potentiell tödliches Drama.

Die Mutter macht, sofern sie es nicht schon im Mutterleib geschädigt hat, das gesunde Kind krank. Sich selbst sehen diese Täter-Mütter als Lebensretterinnen und als Glücksfall für ihr Kind, das nur dank ihrer Aufopferungsbereitschaft überhaupt noch am Leben sei.

Geschickt bis perfide?

Mütter mit Münchhausen by Proxy zielen oft sehr geschickt darauf ab, sich mit den Ärzten sowie dem Pflegepersonal gut zu stellen. Sie gehen freundliche Beziehungen zu den Schwestern und Pflegern ein, beschenken sie bisweilen mit Worten oder Präsenten und wechseln schnell auf eine eher menschlich-liebevolle Ebene.

Sie verbringen gerne viel Zeit im Krankenhaus und wirken so als die "perfekte Mutter". Andererseits, und das ist eines der wenigen sichtbaren Alarmzeichen, machen sich Münchhausen by Proxy Mütter eher geringe Sorgen, wenn heikle Behandlungen anstehen. Manchmal fordern sie diese mit Scheinargumenten sogar ein, während das ärztliche Personal eigentlich abwartend agieren möchte.

Was tun?

Hat man als Angehöriger, Pflegekraft oder Mediziner einen Anfangsverdacht, wird es richtig schwer. Denn hinterfragt ein Behandler die Täterin, reagiert diese meist empört, aggressiv, abwehrend bis feindselig.

Denn die Täterinnen sind nicht nur Verbrecher, sie sind vor allem selbst schwerst psychisch krank. Ihre abgespaltenen, dem bewussten Erleben nicht zugänglichen Seiten können somit sehr schwierige Verhaltensweisen hervorrufen. Die mildeste Konsequenz ist der Beziehungsabbruch.

Die Täterin "verlässt" den Arzt, weil dieser "inkompetent" sei und sucht sich eine neue "Wirkungsstätte", in der sie nach dem gleichen Muster weitermachen kann.

Trotzdem handeln!

Kein Zweifel, Münchhausen by Proxy stellt alle Beteiligten vor riesige Probleme und erfordert ein sorgfältiges Beobachten und Abwägen der menschlichen, sozialen und juristischen Folgen.

Dennoch muss man bei einem Verdacht auf Münchhausen by Proxy unbedingt eingreifen. Es handelt sich um eine schwerste psychiatrische Störung mit potentiell tödlichem Ausgang für ein Kind, mindestens jedoch um schweren Kindesmissbrauch durch einen geistig gestörten Menschen.

Manche Dinge muss man so klar benennen, wie sie sind. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist hier keine Option.

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