Multiple Persönlichkeiten: Die WG im Kopf!

Von Psychologie aktuell Autorin Julia Heidenreich.

Ein Körper, ein Kopf in dem mehrere Persönlichkeiten leben, die ganz oder teilweise nichts voneinander wissen? Das soll es geben? Klingt irgendwie mehr nach einem Horrorfilm. Und doch ist es wahr! Der Name für das Phänomen: Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) oder Dissoziative Identitätsstörung (DIS).

Der Psychologe Andreas Rexroth hat jetzt darüber ein E-Book (s.u.) geschrieben, denn Aufklärung ist essentiell bei dieser leidvollen und von Fachleuten oft vedrängten Problematik.

Was passiert da?

Unter einer Multiplen Persönlichkeitsstörung versteht man ein psychisches Leiden, das sich durch eine Aufspaltung von Identität, Gedächtnis und Bewusstsein bemerkbar macht. Die Schizophrenie hat damit übrigens rein gar nichts zu tun.

Der Patient erlebt sein eigenes Verhalten, seine Gefühle, Vorstellungen und Handlungen als nicht mehr kohärent, sondern aufgesplittert. Weil die Einheitlichkeit der Wahrnehmung erst die Fähigkeit zur Selbstkontrolle ermöglicht, entsteht bei diesen Menschen ein oft massiver Leidensdruck.

Das eigentlich Unmögliche ist Fakt!

Die einzelnen multiplen Persönlichkeiten unterscheiden sich auch in anderer Hinsicht stark voneinander. Angefangen von unterschiedlichen Vorlieben in Sachen Mode, Essen, Musik usw. Aber, und hier wird es wieder geradezu unheimlich, sie haben auch unterschiedliche Begabungen, Talente und Hobbys.

Sogar ihre Stimmen und Sprechweisen sind gar nicht mal so selten unterschiedlich und jede der Persönlichkeiten hat ein eigenes Gedächtnis, das im allerschlimmsten Fall den anderen Teilpersönlichkeiten komplett unzugänglich ist.

Komplett paradoxe Charaktere!

Die einzelnen Persönlichkeiten können stark varrieren. Sie stehen meist in einem kontrastierenden Verhältnis zum ursprünglichen Selbst des Betroffenen. Ist dieses ursprünglich eher schüchtern, handelt es in der anderen Persönlichkeit selbstbewusst und dominant, ist es eigentlich in sexuellen Dingen ängstlich, kann es sich in der anderen Persönlichkeit als sexuell dominant erweisen.

Wie, die wissen nichts voneinander?

Die Erkrankten sind oft nicht einmal mehr fähig, sich durchgängig an wichtige Erfahrungen und Erlebnisse ihres Alltags oder der Lebensgeschichte erinnern. Im Rahmen der dissoziativen Identitätsstörung verfügt jede Einzelpersönlichkeit über eine eigene Identität, einen eigenen Namen und eigene Verhaltensmuster.

Ja, es geht sogar noch mysteriöser: So sind sogar Fälle beschrieben, bei denen die einzelnen Persönlichkeiten verschiedene körperliche Krankheiten haben, die verschwinden, wenn eine andere Persönlichkeit "übernimmt". So kann zum Beispiel eine der multiplen Persönlichkeiten an Diabetes, Lähmungen oder Herzproblemen leiden, während der Körper des Patienten schlagartig frei von diesen Krankheiten ist, wenn andere seiner Persönlichkeiten übernehmen.

Auch unterschiedliche Handschriften sind "normal" im Rahmen dieses Phänomens, bisweilen ergibt sich sogar in den Hirnstrommessungen (EEG) ein jeweils anderer Befund, je nachdem welche Persönlichkeit gerade on air ist.

Bei allem Respekt: das führt einen an die Grenze!

Diese Befunde wecken, gerade weil sie so abstrus klingen, innere Abwehrmechanismen bei Außenstehenden Personen. Verschiedene Persönlichkeiten, die einen Körper zu bewohnen scheinen, Krankheiten die spukgleich kommen und gehen - früher hätte man dafür einen Exorzisten bemüht, heute ist man vom wissenschaftlichen Verständnis her glücklicherweise ein ganzes Stück weiter.

Doch diese Abwehrmechanismen gegen das Unheimliche sind ausgesprochen stark. Und so stoßen die Erkrankten in der Regel auf sehr wenig Verständnis, ja sogar noch schlimmer: ihr Leiden wird nicht ernst genommen!

Diese Menschen müssen ernst genommen werden!

Die Wissenschaft versteckt die Multiple Persönlichkeitsstörung seit Jahrzehnten schamhaft in der Schublade der Traumafolgestörungen und redet sie zu einer Art Unterform der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) klein.

Sicher spielen Traumata eine Rolle bei der Auslösung des Phänomens, doch eine Multiple Persönlichkeitsstörung ist in vielen Fällen nicht einfach die Folge eines Traumas. Diese Erklärung greift zu kurz, sie ist zu simpel und lässt viele Patienten unverstanden zurück.

Kann man etwas dagegen tun?

Natürlich gibt es einige auf die Multiple Persönlichkeitsstörung spezialisierte Therapeuten. Doch die Versorgungslage ist dünn und die Krankheit wird in der Regel übersehen und als Depression oder eine andere psychische Erkrankung fehlgedeutet.

Daher ist Aufklärung die erste große Hilfe für alle Betroffenen und ihr Umfeld. Vor allem im medizinischen Bereich muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass es diese Erkrankung wirklich gibt, dass sie ein Fakt ist. Damit wäre schon viel erreicht.

Denn zum Leid durch die Multiple Persönlichkeitsstörung kommt bei den meisten Betroffenen hinzu, dass sie mit ihrer Störung nicht ernst genommen werden, und das ist doppelt schrecklich.

Buchtipp (online lesbar auch für alle, die kein Kindle-Gerät besitzen):
Die multiple Persönlichkeitsstörung ist real: Dissoziative Identitätsstörungen erkennen!

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