Mehr Geld vom Chef – So bereiten Sie sich auf Gehaltsverhandlungen vor


Von
Sibylle Haas und Verena Wolff

Mit leerem Magen verhandeln? Eine schlechte Idee. Wer beim Vorgesetzten etwas durchsetzen will, muss den richtigen Zeitpunkt abwarten - das gilt insbesondere für das eher unangenehme Gehaltsgespräch. Dazu gibt es psychologische Tricks, die ihre Wirkung selten verfehlen.

Ausgerechnet das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK): Dass dessen Chef Gustav A. Horn dieser Tage davor gewarnt hat, die Wirtschaft durchlaufe keine gute Zeit, wird den Gewerkschaften so gar nicht passen. Sie stecken mitten in Tarifverhandlungen und bislang sah es so aus, als ob ihnen die Konjunktur einen Joker zuspielen würde. Gute Exportzahlen und dicke Auftragsbücher beflügelten die Arbeitnehmervertreter in ihren Lohnforderungen.


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Sachleistung statt Lohnerhöhung

Warum weniger Gehalt manchmal mehr Lohn ist

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Doch nun sagt der wissenschaftliche Direktor des Düsseldorfer IMK etwas ganz anderes: "Alle Hoffnungen, dass sich Deutschland durch seine Exporte nach Übersee von der Entwicklung im Euro-Raum abkoppeln könnte, sind Illusionen." Die harte Sparpolitik vieler Handelspartner treffe die deutsche Wirtschaft schwer, meint Horn. Die Arbeitnehmer haben sich allerdings bisher nicht beirren lassen. Auch der hohe Ölpreis und die steigenden Benzinkosten können sie nicht schrecken. Viele rechnen fest mit steigenden Löhnen und nehmen das Plus bereits vorweg: Sie konsumieren so viel wie lange nicht mehr. Die Einzelhändler sind optimistisch, zeigen Umfragen des Münchner Ifo-Instituts.

Die Beschäftigten "haben einen kräftigen Schluck aus der Pulle verdient", läutete Claus Matecki, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die Tarifrunden ein. Glaubt man den Zahlen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, dann ist die Kaufkraft der Arbeitnehmer in den vergangenen zehn Jahren gesunken: Real, also nach Abzug der Preissteigerung, sind es demnach seit 2000 brutto 2,9 Prozent weniger.

Entsprechend hoch sind die Lohnforderungen der Gewerkschaften. Die IG Metall hatte mit 6,5 Prozent vorgelegt. Auch Verdi setzte nun stolze 6,3 Prozent in den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst durch. Insgesamt liegen die Lohnforderungen auch in anderen Tarifrunden (darunter Chemie, Bank, Post, Telekom) bei sechs bis sieben Prozent.

Jeder Arbeitnehmer ist selbst verantwortlich

Die Gehaltserhöhungen, welche die Gewerkschaften herausholen, sind das eine. Doch jeder Arbeitnehmer kann selbst etwas für ein Plus auf seinem Gehaltskonto tun. "Die Ergebnisse der Gewerkschaften sind ein guter Orientierungspunkt für Arbeitnehmer, die mit ihrem Chef verhandeln", sagt Jürgen Hesse, Karriereberater aus Berlin und Autor zahlreicher Ratgeber. Wichtig sei, sich auf Gehaltsgespräche gut vorzubereiten: "Die meisten Menschen tun sich damit schwer, inklusive der Chefs - denn beim Thema Geld hört die Gemütlichkeit auf." Der Zeitpunkt, Ort und Umstände, insbesondere aber die Argumentation, müssen passen, damit das Gespräch für alle Seiten erfolgreich verläuft.

Gute Karten hat, wer nachweisen kann, dass er seit dem letzten Gehaltsgespräch mehr Verantwortung im Unternehmen übernommen, Fortbildungen besucht oder der Firma zusätzliche Einnahmen gebracht hat", sagt Heike Friedrichsen, Gehaltsexpertin bei PersonalMarkt und Autorin verschiedener Gehaltsratgeber. Eine Leistungsmappe ist nach ihren Worten ein guter Weg, eine Übersicht zu bekommen und kann gleichzeitig im Gespräch als Leitfaden dienen. "Arbeitnehmer sollten darin detailliert aufschreiben, was sie geleistet haben."

Wichtig sei der richtige Moment für das Gespräch, wie Hesse sagt: "Nicht überfallartig im Fahrstuhl oder beim Mittagessen in der Kantine." Eine halbe Stunde etwa sei eine realistische Zeit. Am besten in der Woche, nach der Mittagspause, am frühen Nachmittag: "Wenn der Löwe einen vollen Bauch hat, ist er weniger knurrig." Dann gelte es, die Situation ein wenig anzuwärmen, empfiehlt Hesse: "Ein bisschen Smalltalk, verkäuferische Psychologie walten lassen - und nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen." Als Arbeitnehmer sollte man zudem darauf achten, dass nicht gerade die Konkurrenz, Steuerfahndung oder andere Katastrophen ihre Schatten auf das Unternehmen werfen, rät Hesse. "Turbulenzen dieser Art würden das Anliegen unnötig erschweren." Tabu im Gespräch: jammern, drohen und mit Kollegen vergleichen.

Immer realistisch bleiben

Zudem warnt der Berater davor, unrealistische Forderungen zu formulieren. "25 Prozent mehr Gehalt sind ein Kamikaze-Vorhaben." Auch Heike Friedrichsen sagt: "Mitarbeiter sollten lieber häufiger über kleinere Gehaltserhöhungen sprechen als nach längerer Durststrecke auf gewaltige Sprünge zu hoffen." Sie sollten aber auch dann nach einer Gehaltserhöhung fragen, wenn nicht unbedingt damit zu rechnen ist. "Denn: Wer nicht gelegentlich den Arm hebt, geht nicht nur jahrelang leer aus, sondern büßt möglicherweise auch die Wertschätzung des Chefs ein."

Auf gar keinen Fall sollte man einen Streit mit dem Chef vom Zaun brechen, raten die Experten. "Es passiert gar nicht so selten, dass diese Gespräche eskalieren", betont Hesse. Und dennoch dürfe niemand grob fahrlässig die Atmosphäre vergiften, "denn man will ja auch weiterhin gut miteinander arbeiten". Und: Eine Absage liegt bei einem Gehaltsgespräch im Bereich des Möglichen. Dessen muss sich jeder Arbeitnehmer bewusst sein. "Man muss in jedem Fall die Contenance wahren und im Gespräch bleiben", betont Berater Hesse. Und wenn die Atmosphäre zu entgleiten drohe, dann bringt eine Vertagung oft mehr als das Weiterreden im Streit. Friedrichsen rät, beim Wunsch nach mehr Gehalt diplomatisch und flexibel zu bleiben: "Niemand sollte sich zu sehr auf seine vorher gesteckten Ziele versteifen."

Manchmal führt auch die Umleitung ans Ziel, zum Beispiel in Form von Zusatzleistungen. Es gehe darum, mehr Geld in der Tasche zu haben: dazu gehören Essensgutscheine, ein Kindergartenzuschuss, Jobticket oder betriebliche Altersvorsorge, sagt Friedrichsen. Vielleicht stimmt der Chef mehr Urlaubstagen oder einer Weiterbildung zu, anstatt monatlich mehr Geld zu zahlen. Und das ist in der Summe häufig profitabler, als mit ein paar hundert Euro im Jahresbruttogehalt oder mit ein oder zwei Prozent abgespeist zu werden. Oder wie Hesse sagt: "In der derzeitigen wirtschaftlichen Lage muss man sich nicht mit zwei Prozent zufriedengeben - da sind sogar fünf Prozent eher als ein Inflationsausgleich für die vergangenen Jahre drin."


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(SZ vom 03.04.2012)

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