Maschinen für den Tiefsee-Rausch

Es gab Zeiten, da war Nereus ganz unten. Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich sogar sagen: So tief gesunken waren vor ihm nur Wenige. Und trotzdem steht heute fest, dass ihm nichts Besseres ...

... hätte passieren können. Das ist der Standardspruch jener, denen das Leben ein Schnippchen schlägt, und die Psychologie einredet, in allem etwas Gutes zu sehen. Im Fall von Nereus könnte er aber wahrer nicht sein. Denn sein Dasein am Abgrund bescherte ihm Erfolge, die bis dato beispiellos geblieben sind. Nereus ist ein Tauchroboter, benannt nach dem Meeresgott. 2009 gelang es ihm zum ersten Mal, genauere Informationen über das Leben am tiefsten Punkt des Meeres zu sammeln.

Bild: Der Tauchroboter Nereus wird ins Wasser gelassen.

Dazu sank er elf Kilometer unter die Wasseroberfläche und hielt im Challenger-Tief des Marianengrabens nach unbekannten Lebensformen, Anpassungsstrategien und Ökosystemen Ausschau. Er fotografierte, suchte den Meeresboden ab, kartierte – und das erfolgreich. Sein Vorgänger, Tauchroboter Kaiko hingegen, war dem Untergang geweiht. Seit einem Taifun 2003 hat ihn das Meer bis heute nicht mehr freigegeben.

Bild: Nereus-Vorgänger Kaiko.

Die einzigen Menschen, die sich jemals in solche Tiefen wagten, waren die Ozeanografen Jacques Piccard und Don Walsh. Das ist aber auch schon 52 Jahre her, und die damals revolutionäre, aber für heutige Verhältnisse technisch ...

... bescheiden ausgerüstete "Trieste", konnte das Geschehen in 11.000 Metern Tiefe nur beschränkt wiedergeben. Beim

20-minütigen Aufenthalt umgaben Piccard und Walsh vor allem Dunkelheit. Lediglich ein Plattfisch lag einsam und verlassen wie die "Trieste" am Meeresgrund.

Damit war aber immerhin bewiesen: Dort unten gibt es Leben, was auch den britischen Abenteurer und Milliardär Richard Branson zu faszinieren scheint. Der Mann, der schon mehrere Weltrekorde zu Wasser und am Himmel aufgestellt hat, möchte in Zukunft nicht nur mit Raumschiffen unendliche Weiten bereisen, sondern auch unendliche Tiefen erforschen. Noch in diesem Jahr will er gemeinsam mit seinem Partner, dem Unternehmer Chris Welsh, beginnen, die tiefsten Punkte der Erde in den fünf Weltmeeren zu erforschen.

Das dafür vorgesehene Ein-Mann-U-Boot "Virgin Oceanic" wurde Anfang 2011 vorgestellt.

Damit soll Welsh als erster Mensch nach Piccard und Walsh zum Marianen-Graben im Westpazifik aufbrechen. Branson selbst soll sich wenig später den Puerto-Rico-Graben im Atlantik vornehmen. Danach werden weitere drei Seeabenteuer (siehe Artikel links) mit bisher unbekannten Piloten folgen.

Bei allen Tauchgängen gilt: so viel Neues wie möglich zu entdecken. "Man weiß nur sehr wenig über das Leben in solchen Tiefen", begründet Richard Branson seinen wagemutigen Plan. "Außerdem möchte ich den Menschen zeigen, dass man Dinge umsetzen kann. Der Himmel ist nicht die Grenze."

Von dieser Meinung konnte Branson nicht einmal der Tod seines Freundes Steve Fossett abhalten. Nachdem der

Abenteurer 2007 bei einem Flugunfall gestorben war, beteiligte sich Branson an dessen letztem Projekt: Der Erforschung der Tiefsee. Animiert von Welsh, der schon eine Million Dollar in das Projekt gesteckt hatte, widmete auch er sich der Weiterentwicklung eines U-Bootes. Die "Virgin Oceanic" war ursprünglich als "Deep Flight Challenger" von Fossett in Auftrag gegeben worden.

Branson und Welsh sind übrigens nicht die einzigen Männer mit Tiefgang. Auch der kanadische Regisseur James Cameron leidet seit einigen Jahren am Tiefenrausch. Für seinen Blockbuster "Titanic" war er mit dem U-Boot „Mir 1“ im Atlantik bis zum Wrack des 1912 versunkenen Luxusliners in 3.800 Meter Tiefe getaucht. 2010 nahm er sich mit demselben U-Boot den Baikalsee im Osten Russlands vor und begab sich 1.300 Meter unter den Meeresspiegel. Er baut auch an der „Deep Challenger“, die sich für den Besuch noch nicht erschlossener Tiefen eignet. "Ich will einfach nur sehen, was es da unten so gibt", sagte Cameron der ZEIT. "Wer hat schon die Möglichkeit, in knapp 11.000 Meter Tiefe zu tauchen?"

Auch der Filmemacher hat also den Marianengraben im Visier. Das Wettrennen, an dem sich noch zahlreiche unbekannte Abenteurer mit eigenen Projekten beteiligen, ist eröffnet. Dass es schon bald einen Sieger geben wird, scheint vorprogrammiert. Die Prämie über 10 Millionen Euro der "X Prize Foundation" dürfte da aber nur Nebensache sein. Was ist für Männer schon anspornender, als der Schnellste zu sein.

Fünf Ozeane, fünf Tauchgänge

Mit der "Virgin Oceanic" wollen Richard Branson und Chris Welsh in den nächsten zwei Jahren die fünf tiefsten Stellen der fünf Weltmeere erforschen:

Marianen-Graben: Der erste Tauchgang, der noch heuer stattfinden soll, führt Welsh an den tiefsten Punkt der Erde im Westpazifik (1). Er wäre 52 Jahre nach Jacques Piccard und Don Walsh erst der dritte Mensch, dem es gelingt, 11.000 Meter abzutauchen.

Puerto-Rico-Graben: Sir Richard Branson bestreitet den zweiten Tauchgang zum mit acht Kilometern tiefsten Punkt im Atlantik.

Danach folgen das Molloytief (5.607 Meter) im Arktischen Ozean, das Diamantinatief (8.074 Meter) im Indischen Ozean und der Süd-Sandwich-Graben (8.264 Meter) im Südwest-Atlantik.

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