Management-Beraterin im Interview – Die Psychologie des Geldes

Berlin (RPO). Die Nachrichtenlage scheint dieser Tage fast nur noch ein Thema zu kennen: Finanzen. Ob Staatshilfen und –anleihen oder Gewinne und Verluste privater Unternehmen, fast immer geht es dabei um horrende Summen. Wie das den persönlichen Umgang mit Geld verändert, erklärt Managementberaterin Dr. Petra Bock (41) im Interview mit unserer Redaktion.

Frau Bock, Ihr Buch „Nimm das Geld und freu dich dran“ erschien 2008 im Jahr der „ersten“ Finanzkrise. Seither dürften viele Arbeitnehmer noch weniger Probleme damit haben als ohnehin, diesem Ratschlag zu folgen. Ist der Hinweis überhaupt noch notwendig?

Dr. Petra Bock: "Finanzkrisen und Aufschwünge haben nicht viel mit unserem persönlichen Verhältnis zu Geld zu tun. Menschen, die mit dem Thema Probleme haben, haben es unabhängig von der weltweiten Wirtschaftslage. Es geht um das Verhältnis zu sich und zu anderen, häufig um das Verhältnis von Geben und Nehmen, wie viel man sich wert ist oder wie gut man für sich einsteht. Um diese psychologischen Hintergründe geht es in meinem Buch."

Dennoch: Sträuben sich Deutsche wirklich gegen Geld? Schämen sie sich für Ihr Gehalt?

Dr. Petra Bock ist Mitglied der German Speakers Association. Dem Verband deutschsprachiger Redner, Trainer und Coaches, gehörte sie von 2009 bis 2011 dem Vorstand an. Foto: rpo

Bock: "Es gibt tatsächlich viele Menschen, die ein Problem damit haben, für ihre Leistungen Geld zu verlangen – auch wenn sie richtig gute Arbeit leisten. Vor allem Frauen sagen noch sehr häufig 'Hauptsache, die Arbeit macht Spaß, dann ist das Geld Nebensache'. Wenn sie sagen würden 'Geld ist mir wichtig', haben sie Angst, als oberflächlich, geldgeil oder sogar bösartig rüber zu kommen. Andere schämen sich für ihr Gehalt – weil es zu hoch oder zu niedrig ist. Das hat mit dem sozialen Umfeld zu tun: Wenn es stark abweicht, haben wir Angst, nicht mehr dazuzugehören. Und dann gibt es bei uns eine Kultur der christlichen Bescheidenheit, in der man nicht zeigt, was man hat. Reichtum ist hierzulande nicht unbedingt eine Schande, aber zeigen sollte man ihn nicht. Eine Doppelbotschaft, die ein konstruktiv-entspanntes Verhältnis zu Geld für viele unmöglich macht und tabuisiert. Länder mit puritanisch-calvinistischer Tradition wie England oder vor allem die USA haben dieses Problem weniger. Da gilt es als ein Zeichen moralisch guter Lebensführung, wohlhabend zu sein."

Wie äußert sich das, etwa in Gehaltsverhandlungen? Wird in Deutschland unter Wert gearbeitet?

Bock: "Ob insgesamt unter Wert gearbeitet wird, kann ich nicht beurteilen. Die Produktivität der einzelnen Arbeitnehmer ist ja im internationalen Vergleich sehr hoch. Wohl aber gibt es eine Menge Menschen, die für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden, die schlechter verhandeln und schlechtere Bedingungen akzeptieren als nötig wäre."

Ist die Einstellung zum Geld mit ein Grund dafür, weshalb Frauen deutlich weniger für dieselbe Arbeit verdienen als Männer?

Bock: "Davon bin ich mehr als überzeugt – auch wenn ich mich da oft in bestimmten feministischen Kreisen unbeliebt mache. Ich kenne die Thematik aus den Gesprächen mit meinen Klientinnen. Es ist nicht so, dass nur die bösen Strukturen schuld daran sind, wenn viele Top-Frauen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Die meisten Frauen denken nicht einmal daran, zu verhandeln, sondern akzeptieren das Angebot, das ihnen gemacht. Viele fühlen sich übergriffig und gierig, wenn sie ein Angebot nicht einfach annehmen. Ein fataler Fehler."

Wer im Finanzsektor arbeitet, versteht Geldwerte vermutlich als abstrahierte Zahlen. Wie kommt es dennoch zu einer Emotionalisierung des Geldes?

Bock: "Menschen, die sich intensiv mit Geld beschäftigen und die abstrakte Dimension von Geld erleben, haben in der Regel ein recht sachliches Verhältnis – abgesehen von den Zockern, die eine Form von Spielsucht an der Börse ausleben. Da bekommen die Formeln und Zahlen eine Magie und sind emotional sehr aufgeladen. Die meisten Menschen, die kein gutes Verhältnis zu Geld haben, sind entweder fixiert darauf oder sie blenden das Thema aus und sehen lediglich das, was sie für Geld bekommen können: den Konsum. Geld ist emotionalisiert, weil es in einer Konsumgesellschaft über die Freiheiten und den Komfort, manchmal auch über die Sicherheit in unserem Leben entscheidet. Wenn das kein Anlass ist, emotional zu werden! Viele fühlen auch ihren persönlichen Wert von Geld abhängig. Nicht nur davon, ob sie es haben oder nicht, sondern auch davon, ob sie es selbst verdient haben oder nicht. Es gibt zum Beispiel eine Menge reicher Erben, die sich für ihr Geld schämen und damit nicht klar kommen."

Die Fixierung auf Geld kann sich unter anderem in Angeberei mit so genannten Statussymbolen äußern. Wie findet man da die richtige Balance?

Bock: "Ich denke, jeder Mensch hat sein ganz bestimmtes 'Wohlfühllevel' an Lebensstandard. Möglicherweise geht es gar nicht um Angeben, wenn man eine teure Uhr trägt oder einen luxuriösen Wagen fährt, sondern um Freude an Ästhetik und hochwertigen Gütern. Jeder kann das nur für sich selbst wissen. Wenn Konsum und Luxus aber zu einem Ersatz für persönliche Erfüllung oder sogar ein Manipulationsinstrument in Beziehungen wird, dann kann es für den einzelnen und seine Umgebung problematisch werden. Angeben als Kompensation gibt nur kurze Befriedigung und lässt den Betroffenen immer hungrig bleiben. Es ist wie eine Droge: Man will immer mehr oder stumpft nach und nach ab."

Der angesprochene Buchtitel könnte, mit Verlaub, auch einen Bestechungsversuch einleiten. Welche moralischen Grenzen und Gebote bestehen in Bezug auf das finanzielle Vermögen?

Bock (lacht): "Ja, wenn man den Titel in diesen Kontext setzt... Das ist aber natürlich nicht so gemeint. Doch zu Ihrer Frage: Geld ist ja nur ein symbolisch abstrakter Wert, den Menschen ihren Wert zumessen. Wer charakterlich schwach ist, wird es auch sein, wenn wir mit Salz, Butter oder Kieselsteinen handeln würden. Die moralische Frage stellt sich also bereits vor der finanziellen Frage. Wie weit bereichere ich mich auf Kosten anderer? Welche Verantwortung sehe ich für die Auswirkungen meines Handelns? Wie weit bin ich bereit, als soziales Wesen auch anderen etwas zuzugestehen? Wann habe ich genug? Man kann sich auch auf Kosten des Ansehens, der Gesundheit oder der emotionalen Unversehrtheit anderer bereichern und Menschen auf viele Arten ausbeuten. Geld ist nur eine davon. Ein wesentlicher Punkt ist aber auch, die Beziehung zu sich selbst wertzuschätzen und sich selbst gegenüber gerecht zu sein: Was habe ich verdient? Soll ich wirklich immer zurückstecken? Darf ich mir ein materiell gutes Leben wünschen oder muss ich immer schön klein und bescheiden bleiben? Welches Leben gönne ich mir? Wo setze ich mir womöglich zu enge Grenzen und gehe nicht gut mit mir um? Moral fängt also bei uns selbst, in unserem inneren Dialog an."

Angesichts der steigenden wirtschaftlichen Bedeutung von Aufmerksamkeit spekulieren Theoretiker bereits seit Längerem über eine postmonetäre Gesellschaft. Eine wünschenswerte Entwicklung?

Bock: "Wenn die wirksame Abstraktion von tauschbaren Werten auch anders gelingt als über Geld – warum nicht darüber nachdenken? Der geistigen Freiheit würde ich keine Grenzen setzen. Aber funktionieren muss es, sonst bringt es eher Chaos als Besserungen. Als Historikerin ist mir sehr bewusst, dass steigender Wohlstand mehr Freiheit und Lebensqualität gebracht hat als alles andere. Und das würde ich nicht gefährden wollen."

Macht Ihr Einkommen Sie glücklich?

Bock: "Es bringt mir Freiheit, gutes Essen und Wahlmöglichkeiten. Und das macht mich glücklich."

Die Fragen stellte Christopher Weckwerth.

ZUR PERSON

Name Dr. Petra Bock
Alter 41 Jahre
Ausbildung Promotion an der Freien Universität Berlin am Institut für Politikwissenschaft
Beratung 2008 hat die Gastdozentin der FU Berlin die Dr. Bock Coaching Akademie gegründet
Autorin Bock hat mehrere Bücher geschrieben, zuletzt „Mindfuck – warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können“

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