Konfusion ist bei der dOCUMENTA Programm – Viele Kunstwerke in Kassel stiften …

Konfusion ist Programm. Verwirrung stiften viele dOCUMENTA-Kunstwerke: Für einen Teich in der Karlsaue könnte man das kleine Bassin vor der barocken Orangerie halten, wäre da nicht dieses ständige Schwappen - erzeugt von einem Motor: "Die Welle" nennt der Italiener Massimo Bartolini den Mini-Tsunami - künstlerisch gezähmte Natur. Neun Meter hoch und dennoch eine Miniatur ist der "Doing-Nothing-Garden" des Chinesen Song Dong. Salat und bunte Stauden wachsen wild durcheinander auf dem dreigipfligen Bonsai-Gebirge, das aus Kasseler Müll aufgeschüttet wurde. Neongelbe chinesische Schriftzeichen formen die welligen Hügel nach, der Künstler liest vor:

Soll in etwa heißen: Was man vergeblich tut, muss trotzdem getan werden.

"Das trifft meine Einstellung, alle tun hektisch etwas, vieles muss man tun. Aber am Ende bleibt nichts."

Allerdings wächst neues Leben aus dem Müllberg. "Collapse and recovery", Zusammenbruch und Wiederaufbau - das ist eines von Song Dongs Themen und es ist ein Leitmotiv der dOCUMENTA 13. Genau das Richtige in Kassel, wo die Narben der Kriegszerstörung bis heute sichtbar sind. Hier wie anderswo gilt, meint dOCUMENTA-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev.

"Man kann kratzen, und unter der Oberfläche findet man Schichten von Widersprüche, Leid und Ungerechtigkeit."

Historisch-politische Spurensuche fasziniert die künstlerische Leiterin der 100-Tage-Schau. Ihr Kunstbegriff ist so offen, dass Kritiker ihr Beliebigkeit unterstellen. Ein Konzept für die dOCUMENTA will sich die italo-bulgarische Museumsmanagerin aus den USA nicht abringen lassen. Sie besteht auf dem "nonconcept-concept". Und zweifelt dazu noch die Vormachtstellung menschlichen Denkens und menschlicher Kunst an,

" ... und deshalb ist in Leserbriefen in der Hessisch-Niedersächsichen Allgemeinen nachzulesen, sie hat so verrückte Ideen, wie das Stimmrecht für Erdbeeren einzuführen. Das kann man wörtlich verstehen und sich fürchterlich darüber aufregen. Das kann man auch bildlich verstehen, dann wird es begreiflicher."

Lacht Reinhold Kilbinger, einer der speziell geschulten Kasseler Laienführer, die von der kommenden Woche an Besucher übers Documenta-Gelände begleiten. Mit ihrer Sichtweise provoziert Carolyn Christov-Bakargiev auch Kunstjournalisten. Entsprechend deftig formulieren manche ihre Fragen an die dOCUMENTA-Chefin:

"Wenn sie davon sprechen, dass Photonen singen und tanzen- wollen sie mit dieser Strategie jeden Unterschied nivellieren und ein Publikum anziehen, das so ungebildet und verwirrt ist wie sie selbst?"

"Ich wusste gar nicht, dass auch Sportjournalisten unter uns sind",

kontert die Documenta-Chefin ungerührt. Und:

"Ich glaube, Verwirrung ist ein ganz gesunder Zustand - Konfusion - con- fondere - das ist einfach wundervoll."

Dass die dOCUMENTA 13 die Grenzen zwischen Kunst und Politik, Physik und Psychologie verschwimmen lässt, bringt manche zur Weißglut und lässt andere schwärmen. Das mag Kunst sein oder nicht, kommentiert Christov-Bakargiev, was sie zusammengetragen hat. Genau, stimmt ein Holländer zu, zieht seine Schuhe aus, um an einer Performance im Pavillon des US-Künstlers Paul Ryan teilzunehmen. Ob das moderner Tanz, Psychotherapie und / oder Kunst sein soll - dem Besucher aus Holland ist das egal. Er genießt es einfach.

Letzte Änderung: 08.06.2012 08:41 Uhr

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