Katja Beesdo-Baum: Die Angst vor der Angst

Prof. Dr. Katja Beesdo-Baum arbeitet am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Technischen Universität Dresden. Dort forscht sie zum Thema Angst und hat schon zahlreiche Bücher zu diesem Thema geschrieben. An der Uni in Dresden hat sie auch selbst Psychologie studiert.

YAEZ: Wie entsteht Angst?

Katja Beesdo-Baum (Foto: privat)

Katja Beesdo-Baum: Je nach wahrgenommener Bedrohlichkeit der Situation unterscheidet sich die Stärke derAngst: von kurzer, leichter Angst bis zur Panik. Bei Ängsten handelt es sich um neuro-biologische Prozesse: Angstzentren im Gehirn und die sogenannte Stressachse im Körper werden aktiviert, Stoffe ausgeschüttet. Der Körper reagiert mit Schwitzen, beschleunigtem Herzschlag oder Übelkeit. Neben der Psyche und den körperlichen Symptomen ist auch das Verhalten ein Faktor. Habe ich starke Angst vor einer Sache, fange ich unter Umständen an, sie zu vermeiden. Aus diesem Vermeidungsverhalten kann sich dann eine Angststörung entwickeln.

 

Warum ist eine gesunde Angst so wichtig?

Angst ist ein überlebenswichtiges Gefühl, das jeder kennt. Wenn ich im Dunkeln plötzlich Schritte hinter mir höre, ist es möglicherweise sinnvoll, wenn ich vorsichtig bin. Man muss sich eben fragen: "Ist die Angst angebracht oder übertrieben?"

 

Ab wann ist eine Angst übertrieben?

Bei einer Angststörung sind die Ängste übermäßig stark, lang und die Betroffenen werden in ihrem Leben beeinträchtigt. So trauen sich Agoraphobiker nicht mehr an Orte mit vielen Menschen, wie in Kaufhäuser. Die Ängste sind losgelöst von der Realität, zum Beispiel wenn jemand panische Angst vor eigentlich ungefährlichen Spinnen hat.

 

Was können Betroffene gegen übertriebene Ängste tun?

Auf keinen Fall dürfen sie die Situationen, vor denen sie Angst haben vermeiden – vor allem nicht wenn sie eigentlich Lust auf die Situation hätten. Wer nicht mehr in Kaufhäuser geht, weil er Panik vor den Menschenmassen hat, geht irgendwann auch nicht mehr an andere Orte mit vielen Menschen. Damit setzt man einen Teufelskreis in Gang, an dessen Ende man sich immer weniger traut. Dann macht einen die Angst vor der Angst krank. Es ist am besten, sich so früh wie möglich an einen ausgebildeten Therapeuten zu wenden.

 

Wie entscheiden sich die Ängste von Jugendlichen von denen der Erwachsenen?

Angststörungen entwickeln sich häufig im Jugendalter. Oft lassen sie im Erwachsenenalter wieder nach. Bei Jugendlichen sind soziale Angststörungen besonders häufig. Diese starke Angst, etwas vor oder mit anderen Menschen zu tun entsteht, weil man befürchtet, von Anderen negativ beurteilt zu werden. Auch die Generalisierte Angststörung ist sehr häufig unter jungen Menschen. Betroffene machen sich große Sorgen um ihre Zukunft, ihre Familie und andere Themen. Jugendliche leiden oft stärker unter den Ängsten, weil sie noch nicht so gefestigt in ihrem Leben sind. Sie unterscheiden sich in ihrer Reaktion auf die Angst allerdings kaum von Erwachsenen.

 

Faktencheck Soziale Phobie

Laut einer Umfrage der Goethe-Universität Frankfurt am Main aus dem Jahr 2011 haben 13 Prozent der Mädchen und Jungen zwischen 14 und 20 Jahren Anzeichen einer sozialen Phobie. Besonders betroffen sind Jugendliche aus städtischen Bezirken und Mädchen. Das Hamburger Netz psychische Gesundheit schreibt, dass sieben bis zwölf Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens eine soziale Phobie entwickeln. Hier gibt’s Hilfe: www.sopho-net.de, www.vssp.de

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