Jede Menge Psychologie

Diese Geschichten gibt es ja immer wieder. Trotzdem ist man jedes Mal aufs Neue erstaunt, wenn etwas passiert, was man zuvor für unmöglich gehalten hatte. Borussia Dortmund reist mit drei Bundesligasiegen in Folge zum Hamburger Chaos Club, als haushoher Favorit, und gemessen an den Ergebnissen zuvor durfte die Frage eigentlich nur lauten: In welcher Höhe wird der HSV verhauen?

Aber dann kommt Mirko Slomka daher, er schwingt den Zauberstab wie Harry Potter in Bestform, und plötzlich steht eine vollkommen neu sortierte Truppe auf dem Rasen, die ein Spitzenteam kurz entschlossen auseinander nimmt. Respekt, der neue Hamburger Trainer muss in dieser Woche verdammt viel richtig gemacht haben.

Es ist wohl wirklich so: Wenn dieses Wochenende mal wieder etwas gezeigt hat, dann, wie viel Psychologie im Fußball steckt. Der HSV geht in ein Spiel und weiß, dass man nach den vergangenen Wochen überhaupt nichts mehr zu verlieren hat. Eine Niederlage gegen Dortmund hätte man einem Pflegefall nicht weiter übel nehmen können.

Und dann wissen die Hanseaten noch, dass ihr neuer Trainer seine Meisterprüfung bereits hinter sich hat. Damals, nach dem Tod von Robert Enke, hat er in Hannover ganze Arbeit geleistet: Er hat die 96er wieder aufgebaut, die Truppe zum Klassenerhalt und schließlich auf die europäische Bühne geführt. Und all das wissen die Dortmunder auch.

Sie wissen, dass sie am Dienstag in St. Petersburg antreten, sie wissen, dass dieses Champions-League-Spiel immens wichtig ist, und dann stöhnen sie insgeheim darüber, dass der Trainerwechsel in Hamburg zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt gekommen ist. Jawohl, da summieren sich psychologische Effekte, und dann kommt es plötzlich zu einem Ergebnis, das sich in der Rückschau beinahe schon logisch erklären lässt. Oder?

Aus Hamburger Sicht ist jetzt ein wichtiger Schritt gemacht. Aber eben nur ein Schritt. Ab sofort hat der HSV wieder etwas zu verlieren. Und, nicht zu vergessen, wie war das, als Bert van Marwijk im vergangenen Herbst in Hamburg loslegte? Jawohl, es gab zunächst saugute Ergebnisse. Nach einem 2:2 in Frankfurt, einem 5:0-Triumph in Nürnberg, einem 3:3 gegen Stuttgart und einem 3:0-Erfolg in Freiburg war sogar so etwas wie Aufbruchstimmung spürbar – kurzum: das Thema Hamburg bleibt ultraspannend.

Artur vom Stein

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