IWF empfiehlt Österreich Aufnahmetests an Unis

Der Vorschlag ist Teil eines Konzeptes des Internationalen Währungsfonds zur Ankurbelung des Wachstums in Europa

Wien/Washington - Weiter sparen oder gezielt Wachstum fördern: Kommende Woche
wollen die EU-Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel erste Antworten auf
jene Frage geben, über die Europa seit der Wahl des Sozialisten François
Hollande zum französischen Staatspräsidenten diskutiert.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat vorgelegt und in der Nacht auf
Dienstag ein Strategiepapier mit dem Titel "Fostering Growth in Europe Now"
präsentiert. Ein Team von IWF-Ökonomen hat sich in dem Bericht angesehen, was
die EU-Länder unternehmen sollten, um Arbeitslosigkeit zu senken und ihre
Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Im Falle Österreichs wartet der IWF mit einer Überraschung auf. So lautet
einer seiner zentralen Reformvorschläge, generelle Aufnahmeprüfungen im
tertiären Bildungssektor einzuführen. Damit sollen überbelegte Studienrichtungen
entlastet und die Zahl der Abbrecher verringert werden.

Während in Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen Aufnahmeverfahren
bereits die Regel sind, gelten Zugangstests an den Universitäten als Ausnahme.
Aufnahmetests finden derzeit in Medizin, Psychologie, Veterinärmedizin und in
Kunststudien (außerhalb der technischen Unis) statt. Insgesamt absolvieren in
Österreich derzeit 25 Prozent der Uni-Studierenden eine Aufnahmeprüfung. Der IWF
zielt mit seinem Vorschlag vor allem auf geistes- und sozialwissenschaftliche
Fachrichtungen ab. In naturwissenschaftlichen Studien und Maschinenbau ortet er
dagegen einen Mangel an Studierenden.

Positiv aufgenommen

Im Büro von Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) wird der
Vorschlag, der bereits von der OECD vorgebracht wurde, positiv aufgenommen: "Wir
müssen den Zugang zu den Universitäten gerade in den Massenfächern regeln",
heißt es auf Anfrage. Derzeit laufen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPÖ
zu dem Thema. Die ÖH an der Uni-Wien lehnt Zugangsprüfungen hingegen ab: Diese
wirkten "sozial selektiv" und die Eignung für ein Studium könne nicht durch eine
Prüfung erkannt werden. In einem selbst gewählten Studienabbruch sieht die ÖH
zudem kein Problem.

Der IWF schlägt nicht nur Aufnahmetests vor, sondern plädiert auch für eine
bessere Integration von Migranten in der Schule. Daneben will er für die
Abschaffung der Hacklerregelung und eine Verschärfung des Zugangs zur
Invaliditätspension. Mit diesem Set an Maßnahmen könnte Österreich sein
Wachstumspotenzial besser nutzen.

Europaweit sehen die IWF-Ökonomen nur wenige Möglichkeiten für staatliche
Wachstumsförderung. Den wohlhabenden Ländern Nordeuropas empfiehlt der Fonds
zumindest ihr Spartempo zu reduzieren, sollte die Wirtschaftsflaute im Süden
anhalten. Die Löhne in Deutschland, Österreich und Finnland sollten stärker
ansteigen, um den Inlandskonsum anzukurbeln. Spanien, Griechenland und Italien
müssten dagegen Zurückhaltung üben, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Der EU empfiehlt der Währungsfonds Strukturförderungen gezielter einzusetzen.
Das derzeitige System erziele kaum länderübergreifend positive Wachstumseffekte.
Insgesamt hält der IWF an dem derzeit angewandten Mix aus Ausgabenkürzungen und
Liberalisierungen am Arbeitsmarkt (in Spanien, Griechenland, Portugal) fest. Er
warnt davor, dass es Jahre dauern könnte, ehe diese Maßnahmen Erfolge zeigen.
Auf kurze Sicht könnte die Arbeitslosigkeit in Europa steigen und sich einige
Konjunkturprognosen sogar als zu optimistisch erweisen. (András Szigetvari, DER STANDARD, 20.6.2012)

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