Interview mit Psychologen Bestsellerautor Manfred Lütz: „Glück ist kein Ego-Trip“

Sie kritisieren Glcksratgeber. Warum haben Sie trotzdem ein Buch ber Glck geschrieben?

LTZ: Mein Buch ist ein Anti-Ratgeber. Denn diese ganze Ratgeberliteratur schlgt, wie der Soziologe Ulrich Beck schon gesagt hat, eine Schneise der Verwstung durch Deutschland. Es wird der Eindruck erweckt, man wre fr sein eigenes Leben gar nicht mehr kompetent, die Experten wssten alles besser. In Glcksratgebern beschreiben die Autoren, wie sie selbst glcklich wurden – und lassen den Leser unglcklich zurck, da der nun mal nicht der Autor ist. So kann der den nchsten Glcksratgeber kaufen. In Wirklichkeit gibt es sieben Milliarden unterschiedliche Wege zum Glck, und ich versuche in meinem Buch dazu anzuregen, dass jeder selbstbewusst seinen eigenen Weg findet.

Wie kann jeder herausfinden, was Glck fr ihn bedeutet?

LTZ: Mein Buch ist unter anderem eine unterhaltsame und allgemeinverstndliche Geschichte der Philosophie des Glcks und erzhlt von den ganz unterschiedlichen Wegen zum Glck, die die gescheitesten Menschen der Welt gefunden haben. Da kann sich dann jeder das aussuchen, das fr ihn am besten passt. Ich habe das Buch lesen lassen von einem Philosophen und von meinem Friseur. Denn Friseure sind geerdet, und alles, was Friseure nicht verstehen, ist nicht wirklich wichtig. Jeder Mensch ist glcksfhig.

Aber es gibt Menschen, die nie glcklich zu sein scheinen...

LTZ: Die Psychologie sagt: Jammern macht gesellig. Ich meine das gar nicht bse, aber es gibt manche Menschen, die fhlen sich glcklich, wenn Sie ber ihr Unglck klagen. Doch es gibt natrlich Menschen, die tatschlich schlimme Schicksale erlebt haben.

Und wie knnen die trotzdem glcklich sein?

LTZ: Ich habe in Zusammenhang mit meinem Buch Jehuda Bacon, einen Auschwitz-berlebenden, kennengelernt. Er sagt auf sehr berhrende Weise, dass er sogar im Leiden Glck erlebt hat, vor allem wenn er mitfhlenden Menschen begegnet ist.

Eine solche Einstellung kann allerdings nicht jeder aufbringen...

LTZ: Doch, ich glaube, dass jeder Mensch die Fhigkeit besitzt, auch im Leiden glcklich zu sein.

Wie lsst sich das Glck in alltglichen Krisen bewahren?

LTZ: Wenn man einen Sinn im Leben sieht, und das ist natrlich bei jedem etwas anders, dann kann man in der Gewissheit leben, auch in Krisensituationen nicht ins Nichts zu fallen. Unser Dorf bei Kln zum Beispiel ist glcklicher, seit wir Flchtlinge haben. Weil es viele Menschen gibt, die vorher fr sich allein lebten und jetzt pltzlich Menschen in Not helfen knnen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, Glck ist kein Ego-Trip.

Wird Glck heute missverstanden?

LTZ: Wer dauernd ber Gesundheit redet, ist meistens krank. Und wem dauernd eingeredet wird, er msse ber das Glck nachdenken, kann schnell unglcklich werden – um dann den nchsten Ratgeber zu kaufen.

Gibt es in Zeiten, in denen sich viele Menschen stndig selbst optimieren wollen, eine Art Pflicht, glcklich zu sein?

LTZ: Man knnte tatschlich diesen Eindruck bekommen. Jedenfalls ntigt man die Menschen, sich immerzu mit anderen zu vergleichen – das ist aber eine Anleitung zum Unglcklichsein.

Warum halten sie Erfolg nicht fr wichtig?

LTZ: Weil Erfolg von ganz vielen Zufllen abhngt. Ein gelingendes Leben ist nicht unbedingt ein erfolgreiches Leben. Vincent van Gogh hatte keinen Erfolg, aber es ist ihm gelungen, bis heute Menschen zutiefst zu berhren. Stalin war zweifellos der erfolgreichste russische Herrscher. Ein gelingendes Leben wird man diesem Massenmrder aber nicht bescheinigen.

Kann man das Glck berhaupt finden, oder findet es einen – zum Beispiel in der Liebe?

LTZ: Man kann das Glck nicht zwingen. Aber man kann gute Voraussetzungen dafr schaffen, dass es bei einem landet, und das ist bei jedem etwas anders. Genau darber geht das Buch.

Geht es heute zu oft um kurzfristige Glcksgefhle?

LTZ: Glcksgefhle kann man am sichersten mit Heroin herstellen – allerdings mit ziemlich unangenehmen Nebenwirkungen. Oder mit einer Elektrode im Glckszentrum im Gehirn – ich habe aber noch niemanden getroffen, der das wirklich wollte. Nur wenn ich mein Leben irgendwie als sinnvoll erfahre, kann ich tiefer glcklich sein.

Haben Sie selbst dieses tiefere Gefhl von Glck?

LTZ: Wenn ich etwas Schnes erlebe oder etwas Sinnvolles tue – und nicht ber das Glck nachdenke.

Manfred Ltz: „Wie Sie unvermeidlich glcklich werden. Eine Psychologie des Gelingens“. Gthersloher Verlagshaus, Gthersloh 2015, 192 Seiten, 17,99 Euro.

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