In Form geschnürt – op

In Form geschnürt

002.03.12|Rhein-Main|Rhein-Main|
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Artikel: In Form geschnürt

In einem Erotikladen für Frauen in Frankfurt sind einige Stücke schon zu haben, in einem Korsett-Fachgeschäft und in einem französischen Restaurant kann man ihre Mode seit Neuestem ebenso bewundern. Dabei sei der Großteil ihrer Arbeiten keine Unterwäsche im engen Sinn, sagt die Designerin, sondern vielmehr „elegante Kleidung zum Weggehen“.

Jennifer Stapp ist eigentlich Diplom-Psychologin, hat sich vor zwei Jahren aber als Schneiderin selbständig gemacht. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Fertigung von Korsetts und Corsagen.

„Psychologie macht Spaß, aber Nähen ist meine Leidenschaft“, betont die 27-Jährige. Weil Handwerk in Deutschland nicht einfach sei, führte der Wunsch nach Sicherheit sie zunächst an die Uni. „Aber schon während des Studiums habe ich geschneidert und so ein bisschen was nebenbei verdient“, erzählt Stapp, die für Design und Ausführung ihrer Entwürfe gleichermaßen verantwortlich zeichnet. Zuerst nur für Freunde und sich selbst, später auch für Bekannte. Was als Nebenjob begann, ist heute ihre Profession. Denn nach dem Studium dachte sie sich: „Jetzt oder nie. Probier’s halt mal.“ Es hat geklappt.

In ihrem Atelier in Langen entwirft und realisiert die talentierte Jung-Designerin seither unter dem Label „emôco-corsetry“ Schnürmode nach Maß. Der Name ist vom englischen Wort „emotional“ inspiriert, „eben weil Frauen mit einem Korsett oft mehr verbinden als mit einem normalen Kleidungsstück. Da spielen Weiblichkeit und Sinnlichkeit eine große Rolle“, weiß Stapp.

Ihre Stücke sind immer individuell. An ihrer Arbeit schätze sie insbesondere die Freude, die sie anderen dadurch bereite. „Ich entwerfe ja keine Businessanzüge, sondern bewusst Schönes. Deshalb liebe ich diesen Job.“ Ihre typische Kundin sei relativ jung, zwischen 20 und Mitte 30, aber sie habe auch schon für wesentlich ältere Frauen gefertigt.

Die 27- Jährige arbeitet dabei ausschließlich auf Anfrage. „Nur wenn ich genau weiß, was die Kundinnen wollen, kann ich den Preis gut kalkulieren und die Schnitte individuell anpassen.“ Oft kämen Frauen zu ihr, denen Ware von der Stange nicht passt. Die Fachfrau wundert das nicht: „Corsagen im Laden sind meist für eine relativ gerade Figur geschnitten, das passt aber vielen nicht“, weiß die Schnittexpertin. Denn für jeden Figurtyp gebe es den optimalen Schnitt, um Vorzüge zu betonen oder Schwachstellen zu kaschieren. „In einem HM-Teil sehe ich einfach nicht gut aus“, ist sich die Korsettliebhaberin sicher. „Und Frau will darin ja besser aussehen und nicht schlechter.“ Maßanfertigungen seien deshalb oft von Vorteil. Weil sie als Schneiderin damit Erfahrung habe, sei die Beratung für sie eine wichtige Komponente.

„Bei einem kleinen Busen beispielsweise sind Vollbrust-Modelle eher ungünstig, da rate ich dann eher zu einem Unterbrustkorsett.“ Schon viele Kundinnen hätten ihre ursprüngliche Meinung nach eingehender Beratung grundlegend geändert, lacht die studierte Psychologin.

Während ein Korsett ein Innenleben aus Stahl vorweise und mittels Schnüren „den Körper in Form bringt“, sei eine Corsage die „Light-Variante“ mit dünneren Stäbchen und mehr Bewegungsfreiheit. Stahl und ein nicht stretchender Trägerstoff seien für die Passform aber essentiell. „Es soll ja schon noch bequem sein und vor allem soll alles da sitzen, wo’s hingehört“, findet die Jung-Designerin.

Stoff und Schnitt bringen dabei die individuellen Vorzüge zur Geltung. Dekolletéform und Hüftabschluss, Körbchen mit Push-up- oder Minimizer-Effekt – all das spielt bei der Herstellung eine wichtige Rolle. Ob Netz, Spitzenapplikationen, feiner Wäschetüll, Brokat, Dupionseide, Lack, Leder, Jacquard oder Samt: Jennifer Stapp lässt Frauenwünsche wahr werden. Zwischen 280 und 400 Euro kostet ein maßgeschneidertes Unikat bei ihr – je nach Material und Aufwand.

Die Vorstellungen ihrer Klientinnen seien dabei ganz unterschiedlich: „Die einen wollen einfach etwas haben, das ein bisschen nett aussieht und ihren Freund damit überraschen, andere kommen mit genauen Vorstellungen“, hat sie beobachtet. Auch speziellere Wünsche hat Stapp schon realisiert: „Einmal wollte eine Kundin ein Korsett aus dem Stoff eines Schals haben. Das war verdammt viel Arbeit“, erinnert sich die Langenerin.

Ihr Wissen und Können hat sich Jennifer Stapp größtenteils selbst erarbeitet. Wie schneidere ich ein Körbchen für welche Brustform? Wie sehen trägerlose Oberteile auch bei großen Brüsten gut aus? „In der elften Klasse habe ich mal einen Nähkurs besucht“, erzählt sie. „Das meiste habe ich mir aber selbst beigebracht, indem ich mich viel damit beschäftigt und ausprobiert habe.“ Dazu gehörten auch umfangreiche Nachforschungen über historische Original-Schnittmuster.

Vier Tage in der Woche ist sie in ihrem Atelier und entwirft, schneidert und bestickt Korsetts und Corsagen. „Meine Stücke braucht man nicht, man will sie einfach haben“, glaubt die talentierte Näherin. „Es ist eben keine Jeans für den Alltag, sondern etwas Besonderes. Das gönnt man sich einfach mal.“

Mittelalterliche Kostüme gehören ebenso zu Stapps Repertoire wie Hochzeitskleider. „Aber die mache ich nur, wenn mich der Auftrag interessiert“, betont sie. Auch ihr eigenes Hochzeitskleid hat Stapp in Eigenregie entworfen. Viele Frauen wünschten sich mittlerweile etwas Unkonventionelles. Inzwischen arbeitet die 27-Jährige an ihrem dritten Auftrags-Brautkleid. „Ein Kleid aus der historischen Ecke, mit dem berühmten Entenhintern aus dem 18. Jahrhundert.“ JENNY BIENIEK

Von der Psyche zur Physis: Die Langenerin Jennifer Stapp entwirft sinnliche Mode

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