In Aktien investieren für Anfänger – die Psychologie an den Märkten – Boerse

Hinter der Entwicklung der Finanzmärkte stehen immer noch Menschen – auch wenn es manchmal angesichts der Fernsehbilder von flimmernden Charts - nicht so wirkt. Die Preise dahinter werden von Menschen durch ihr Handeln festgelegt. Und überall wo Menschen im Spiel sind, spielt die Psychologie eine wichtige Rolle.

Angst und Gier treiben die Märkte. Meiner Ansicht nach unterscheiden diese beiden Gefühle einen Spekulanten von einem Anleger bzw. Investor. Ein Anleger denkt langfristig und schaut sich seine Investments genau an. Ihn lassen die Schwankungen im Markt kalt, solange “seine” Unternehmen eine gute Leistung bringen (siehe voherige Artikel zu diesem Thema). Ein Spekulant hingegen ist auf schnellen Gewinn aus. Mittlerweile sehr beliebt – und im Internet auch stark beworben – ist z.B. das “Day-Trading” bei dem man Wertpapiere für weniger als einen Tag, manchmal sogar nur für Minuten oder Sekunden hält. Meine Meinung dazu: Außer dem Broker verdient da niemand etwas – der dafür umso mehr, deshalb auch die viele Werbung. Im folgenden beschreibe ich nun einmal einen typischen Marktzyklus.

Phase 1 - ein Aufwärtstrend bildet sich aus

Gehen wir einmal davon aus, daß der Markt gerade einige Zeit gut läuft, aber noch nicht überhitzt ist. Es werden die ersten Spekulanten darauf aufmerksam, daß sie damit Geld machen könnten. Ein Spekulant geht eine Position ein mit der Absicht kurz bis mittelfristig Gewinne damit zu machen. Er ist meistens bereits Opfer der Gier, wenn er seine Position eingeht.

Steigt nun der gesamte Markt zu lange, wird die Gier immer größer, und immer mehr (gierige) Leute möchten dabei sein. Der letzte Crash ist schon lange vergessen, es geht schon so viele Jahre gut, wieso sollte das nicht so bleiben? Wenn man nicht dabei ist, entgeht einem ein großer Gewinn. Alleine der Gewinn der einem schon entgangen ist, weil man im letzten Jahr nicht dabei war ist beachtlich. Jetzt muss man endlich auf den Zug aufspringen.

Phase 2 - der Trend verstärkt sich

Hier beginnt nun die zweite Phase. Es entsteht das Phänomen der “Trendfolge“. Geht es lange genug bergauf, möchten immer mehr Leute dabei sein und das treibt die Kurse automatisch noch höher. Auch Banken sind typische Trendfolger – was ich für einen der größten Fehler halte den sie machen. Ein Beispiel war der Immobillien-Boom in den USA bis zum Jahr 2007. Die Häuserpreise sind Jahrzehnte lang immer gestiegen, also gingen die “schlauen” Risiko-Manager der Banken davon aus, dass das auch so bleiben wird und haben deshalb gerne Kredite an jedermann vergeben. Die Häuser als Sicherheit sind genug, denn die Preise steigen sowieso immer. Natürlich steigen sie weiter, wenn Banken bereitwillig Finanzierungen ausgeben, denn dann fliesst noch mehr Geld in die Häuser. Die steigende Nachfrage sorgt für steigende Preise. Wie es geendet hat, haben wir alle gesehen. Trendfolge führt zur Blasenbildung und ich verurteile sie zutiefst. Auch in der Charttechnik spielt die Trendfolge (leider) eine große Rolle (Trendlinien, gleitende Durchschnitte, etc.) was natürlich den Trend ebenfalls verstärkt. Wir sind noch nicht beim Crash, sondern erst bei der Blasenbildung die fast jedem Crash vorausgeht.

Phase 3 - die Blase bildet sich aus

Der interessanteste und gleichzeitig gefährlichste Abschnitt in jedem Marktzyklus ist der der Übertreibung. Mittlerweile will beinahe jeder dabei sein. Die Zeitungen quellen über vor Meldungen wie toll es ist in Aktien zu investieren. Im Jahr 2007 z.B. konnten wir etwa lesen “DAX bald bei 10.000 Punkten” – damals war er nicht einmal auf 8.000. Vor dem Crash 1929, nachdem der Aktienmarkt über beinahe ein Jahrzehnt nur nach oben unterwegs war, meinten Analysten in den verschiedenen Zeitungen “Aktien sind noch immer günstig bewertet”. Vor dem Internet-Crash im Jahr 2000 konnte man auch in Boulevardmedien unter anderem lesen “An der Aktie führt kein Weg vorbei”.
Solche Meldungen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Denn was ist die logische Konsequenz, wenn bereits jeder auf den Zug aufgesprungen ist und jeder bereits Aktien hält, die er zu teilweise exorbitanten Phantasiepreisen gekauft hat? Wer soll dann noch welche kaufen?

Boom bei IPO’s als Warnsignal. Ein weiteres Anzeichen vom Ende eines Bullenmarktes sind vermehrte Börsegänge (IPOs). Ganz extrem war das bei der Internetblase in den Jahren 1999 und 2000 zu beobachten, als zahlreiche Unternehmen, die noch nie einen Cent verdient hatten, den Börsegang wagten – und dennoch sind die Kurse explodiert.
Die Phase der Blasenbildung ist defintiv von der Gier beherrscht. Jeder glaubt, daß er schnell reich werden kann. Man sagt deshalb auch “Milchmädchen-Hausse” zu dieser Überhitzungsphase, da sich sogar die Milchmädchen auf der Straße über Aktien unterhalten. Eine Anekdote von André Kostolany wird immer wieder zitiert: Dieser soll 1929 alle seine Aktien verkauft haben, als ihm ein Taxifahrer stolz berichtet hat, er sei jetzt auch an der Börse investiert.
Die Bewertungen koppeln sich in der Phase der Blasenbildung meist weit von der Realität ab. Es werden aber immer wieder Erklärungen gesucht, warum dennoch keine Überbewertung gegeben ist.

Jeder hofft einen noch größeren Narren zu finden. Die Gier wird so stark, daß die Vernunft einfach ausgeschaltet wird – und jeder der kauft hofft außerdem, daß es noch jemanden geben wird, der zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr bezahlen wird. Dieser Effekt wird in der “greater fool theory” behandelt: Ein Spekulant kauft bewußt eine Aktie zu teuer, weil er der Meinung ist, daß es einen noch größeren Narren gibt, der sie ihm zu einem späteren Zeitpunkt zu einem noch höheren Preis abkaufen wird.
Beispiele für solche Blasen gibt es mehr als genug. Das erste gut dokumentierte Beispiel in der Geschichte war die Tulpenblase 1636 wo in Holland für eine einzelne Tulpenzwiebel teilweise mehr geboten wurde als damals ein ganzes Herrenhaus gekostet hat.
Sobald bei einer (kleinen) kritischen Masse der Marktteilnehmer die Angst zunimmt und die Überhand gewinnt, kommt es zur nächsten Phase.

Phase 4 - der Crash

Die Anzahl der Markteilnehmer denen der überhitzte Boom suspekt wird steigt und das Angebot (durch Verkäufe) beginnt die Nachfrage langsam zu übersteigen. Meistens steigen in dieser letzten Phase des Booms die Kursschwankungen (Volatilität), da die “Kräfte” zwischen Angebot und Nachfrage noch halbwegs ausgeglichen sind, da die besonnenen Verkäufer noch vorsichtig verkaufen.

Der Crash passiert dann meist plötzlich (oft an einem einzelnen Tag) wenn die Panik ausbricht. Durch den Trendbruch (der Anstieg dauert nicht mehr an, die Volatilität nimmt zu) werden immer mehr Leute ängstlich. Schließlich gewinnt die Angst die Oberhand. Die Gier ist plötzlich kein Thema mehr. Lieber rasch verkaufen! Alle möchten durch die selbe Tür. Das Angebot steigt ins Unermessliche und es steht keine Nachfrage gegenüber. Die Angebotspreise sinken, da jeder der Erste sein möchte der wenigstens noch einen Bruchteil seines Investments retten kann.

Im Gegensatz zu einem Aufwärtstrend inkl. Blasenbildung geht ein Crash extrem schnell von statten - wie ein reinigendes Gewitter. Baisse-Märkte (auch Bären-Märkte genannt) mit sinkenden Kursen dauern meistens deutlich kürzer an als Hausse-Phasen (Bullen-Märkte) mit steigenden Kursen. Dafür sind sie umso heftiger. Ein Chart, der den letzten großen Crash abbildet verdeutlicht dies: Ich habe in diesem Chart (finden Sie hier: http://bit.ly/1rWgJj6) den gesamten Marktzyklus 2003 – 2010 abgebildet. Der Bullenmarkt (Aufwärtstrend) begann im Jahr 2003 und konnte sich bis 2007 relativ stabil halten. Deutlich zu erkennen ist die steigende Volatilität 2007-2008 und der folgende Crash Ende 2008. Der SP 500 Index hat sich binnen kürzester Zeit mehr als halbiert (von knapp 1600 auf deutlich unter 800 Punkte). Aber bereits im Laufe 2009 hat sich ein neuer Aufwärtstrend gebildet der bis heute hält. Der Bullenmarkt hat in diesem Beispiel also 5 Jahre gehalten. Der Bärenmarkt nicht einmal 2 Jahre. Dieses Bild ist in allen Boom-Crash-Zyklen extrem ähnlich.
Auf den Crash folgt zuerst eine Phase des Pessimismus und des Bärenmarktes. Der immer schlimmer werdende Pessimismus läutet dann die nächste wichtige Phase ein.

Phase 5 - die Bodenbildung

Wie der Name schon sagt: Nicht nur die Kurse sind am Boden. Die Stimmung ist es generell. Die Zeitungen titeln jetzt “Der Tod der Aktien” – das fand tatsächlich Ende der 1970er Jahre nach der zweiten Ölkrise statt. Die BusinessWeek titelte damals “The death of equities” – wörtlich übersetzt eben “der Tod der Aktien”. Kurz darauf folgte ein Bullenmarkt der bis 1987 anhielt.

Der Bärenmarkt verliert seine Nahrung, wenn alle ängstlichen Teilnehmer aus dem Markt ausgestiegen sind, frei nach dem Motto: “Das Zeug greif ich nimmer an”.

Kostolany nannte diese Menschen “die Zittrigen”. Es sind die, die beim Aufwärtstrend aufgrund von Gier unbedingt dabei sein möchten, aber sofort Angst bekommen sobald es abwärts geht. Im Gegensatz dazu kaufen die “Hartgesottenen” wenn der Pessimismus am größten ist.

Sobald jedenfalls alle Ängstlichen/Zittrigen aus dem Markt gebeutelt sind, kann sich langsam wieder ein Aufwärtstrend bilden und der Kreislauf beginnt von vorne.

Da die gesamte Konsumbereitschaft der Bevölkerung meistens im Einklang mit diesen Zyklen steht, läuft die Wirtschaft insgesamt in ähnlichen Zyklen ab. Wenn alle Medien vom Boom berichten und die Banken leichtfertig Kredite an Konsumenten vergeben, steigt der Konsum automatisch an und die Wirtschaft brummt – ein sich selbst verstärkender Effekt. Der Rückwärtsgang läuft ähnlich ab. Die Medien berichten von Wirtschaftskrise und drohendem Anstieg der Arbeitslosigkeit, Banken vergeben keine Kredite mehr, und der Konsum geht zurück. Die Wirtschaft läuft also im Einklang mit der Stimmung an den Finanzmärkten – allerdings ist es schwer zu klären was Ursache und was Wirkung ist – eine Art Henne-Ei-Problem.

Wie kann man sich nun als Aktieninvestor gegen diese Schwankungen immunisieren?

Am wichtigsten ist es die Gefühle Angst und Gier vollständig auszuschalten! Eine Investition ist keine Spekulation. Sie ist nicht dazu gedacht schnell reich zu werden, sondern nachhaltig Vermögen aufzubauen bzw. stabil zu erhalten.
Ich habe es schon in früheren Teilen der Serie erwähnt:
1. Man sollte die Firmen kennen in die man investiert.
2. Man sollte nur in starke Unternehmen investieren, die auch in Krisenzeiten noch Gewinne machen können.
3. Man sollte keinesfalls aufgrund des vergangenen Aktienkurses kaufen.

Wichtig ist aber auch, daß man erkennt wenn es einmal nicht mehr so gut läuft. Wenn ein Unternehmen nachlässt. Das Beispiel von TESCO ist so ein Fall. Einst war das ein solides Unternehmen. Jetzt schaffen sie es aber nicht mehr gegen Aldi und Lidl anzukommen. Die Vorzeichen haben sich geändert und das muss man erkennen. Obwohl Tesco vor kurzem über 10% verloren hat, würde ich sie dennoch verkaufen, wenn ich sie im Portfolio hätte. Es ist einfach kein gutes Unternehmen mehr. Ein großer psychologischer Fehler der viele Anlegern unterläuft, ist an einer Aktie festzuhalten – besonders wenn sie unter den Kurs fällt zu dem man sie gekauft hat. Den Einstiegskurs sollte man sofort vergessen. Die Entscheidung ob man eine Aktie hält, sollte man nur aufgrund der aktuellen Umstände und keinesfalls aufgrund des Kaufkurses treffen. Man muss also ständig neu bewerten. Wenn der innere Wert deutlich unter den aktuellen Kurs fällt (schlechte Gewinne, schlechte Prognosen, Managementfehler, Skandale) dann sollte man einen Verkauf überlegen, auch wenn es einen Verlust bedeutet.

Eigentlich ist es logisch, daß man das Geld das in der “schlechten” Aktie gefangen ist, in einer besseren anlegen könnte. Dennoch ist es ein häufiger psychologischer Effekt, dass man gerne Depotleichen anhäuft mit dem Argument (“damit hab ich jetzt 30% verloren, die wird sich schon erholen”). Also weg mit den Depotleichen und mit dem Geld wirklich gute Firmen kaufen, dann geht das mit der Erholung schneller.

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Über den Autor:

Michael Gredenberg hat gemeinsam mit seinem Partner Peter Augustin den 1996 gegründeten Service-Provider „Inode“ zum zweitgrößten Anbieter von Breitband-Internet in Österreich geführt. Nach dem Verkauf an UPC (2006) sammelte er seine ersten Erfahrungen am Finanzmarkt bei der Veranlagung des Verkaufserlöses. In der Serie “In Aktien investieren für Anfänger” schildert Michael Gredenberg seine persönliche Sicht der Dinge. Seit kurzem betreibt Michael Gredenberg einen Finanzblog, den sie hier abrufen können:
financeblog.at

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